: Hannovers Polizei läßt sich jeden Punk 10.000 Mark kosten
■ Ein Großeinsatz soll die traditionellen Chaos-Tage verhindern – Bürgermeister rechnet mit tausend Bunthaarigen
Hannover (taz) – Mit Kosten von „grob geschätzt 10 Millionen“ rechnet die hannoversche Polizei bei ihrem Anti-Punk-Großeinsatz. So will sie, gab sie gestern bekannt, die traditionellen hannoverschen Chaos-Tage verhindern. Der hannoversche Polizeipräsident Hans- Dieter Klosa glaubt, daß zu dem internationalen Treffen der Bunthaarigen „tausend Punks plus minus einige hundert“ nach Hannover anreisen werden. Sieht man von den „einigen hundert Autonomen“ ab, auf die sich Hannovers höchster Polizist auch noch für das erste Wochenende im August einstellt, so ergeben sich pro erwartetem Punk schon jetzt Polizeieinsatzkosten von stolzen 10.000 Mark.
Nach Meinung des ortsansässigen Punks Johnny Do, der mit seiner Gruppe „Die letzten“ bei den Chaos-Tagen 95 spielte, hätte das Land Niedersachsen für ein Bruchteil der 10-Millionensumme die diesjährigen Chaos-Tage über die Bühne bringen können. „Weil die Punks sich so leicht verarschen lassen“, hätten seiner Meinung nach eine Bühne im Park, Bierbuden und billiges Essen durchaus für ein einigermaßen reibungsloses Punk- Treffen gereicht.
Polizeipräsident Hans-Dieter Klosa hat gestern die Zahl der für das Verbot der Chaos-Tage eingesetzten Beamten noch einmal nach oben korrigiert. Bei dem größten Polizeieinsatz in Hannovers Geschichte werden neben 4.500 Schutzpolizisten und Grenzschutzbeamten weitere 1.500 für Transport, Verpflegung und Logistik eingesetzt werden. Außerdem auf Bahngelände noch weitere fünf Hundertschaften Bundesgrenzschutz.
Hans-Dieter Klosa beteuerte zwar mehrfach, daß bunte Haare allein für die Polizei kein Grund zum Einschreiten seien. In der Praxis allerdings werden den Polizisten, die ab heute die Punks kontrollieren sollen, alle Bunthaarigen als verdächtig gelten. Dabei will die Polizei die Beweislast umkehren – obwohl selbst Klosa davon ausgeht, daß nur „etwa 10 Prozent der Chaos-Tage-Besucher von vorherein auf Gewalt aus sind“. Doch wenn Punks in Hannover keinen festen Wohnsitz haben, werde man, so der Bürgermeister, „in der Regel davon ausgehen müssen, daß sie an den Chaos-Tagen teilnehmen wollen, es sei denn, sie können in einem entsprechenden Gespräch mit der Polizei andere Absichten glaubhaft machen“.
Diese grundrechtswirdrige Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Punks trifft allerdings auch auf Widerstand: Sowohl das Komitee für Grundrechte und Demokratie als auch die niedersächsischen Grünen werden den Umgang der Polizei mit den Punks genau beobachten. Jürgen Voges
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