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Ein Klick ... Schon singt eine Amsel

Immer undurchschaubarer wird das Angebot an Bildungssoftware. Im Herbst werden die besten mit einem Preis ausgezeichnet. Drei CD-Rom-Angebote jetzt im Test bei der taz  ■ Von Kathi Seefeld & Co

Bildungssoftware. Völlig schnuppe, ob man darunter harte Lernprogramme versteht, Vokabeln pauken beispielsweise, oder Programme, die auf spielerische Wissensvermehrung setzen. Fakt ist, die Vielfalt auf dem Softwaremarkt in Sachen Bildung droht Lehrende und vor allem Lernende mittlerweile zu erdrücken. Rund 4.000 unterschiedliche Titel werden von Softwarefirmen und inzwischen auch von Schulbuchverlagen angeboten. Doch nur etwa 80 davon verdienen nach Aussagen des nordrhein-westfälischen Landesinstituts für Schule und Weiterbildung in Soest die Bezeichnung „empfehlenswert.“ Zur Orientierung haben die Soester „Sodis“, eine Datenbank, errichtet. Das „Software Dokumentations- und Informationssystem“ bewertet nahezu alle deutschsprachigen Programme und kann bundesweit abgerufen werden.

Gezielt Ordnung in den Softwaredschungel zu bringen versucht seit einiger Zeit auch das „Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft“ Berlin. „Digita“ heißt der Preis, den es 1995 erstmals auf der Frankfurter Buchmesse gemeinsam mit der „Stiftung Lesen“ und Bild der Wissenschaft verliehen hat. Der Preis ging an Programme, die sich durch eine besonders gelungene Verbindung von Bildungsinhalten, didaktischer Aufbereitung und Softwaretechnik auszeichnen. Im Vorjahr ging der Preis an den Rechtschreibtrainer „ULK – Rettung für die Zeitreisenden“, das Biologieprogramm „Das Wunder unseres Körpers“ sowie an das Aufklärungsprogramm „Bitte nicht stören“. Diese Software, so der Berliner Erfinder und Cheforganisator des „digita“-Preises, Wilfried Hendricks von der Technischen Universität Berlin, hat „lange Maßstäbe“ gesetzt. „Etwas besseres kann ich zur Zeit nicht sehen.“

Das hat uns neugierig gemacht. Was bieten die Programme für Lernsoftware nun eigentlich? Wir haben drei getestet:

Mit „Back Packer“ um den Globus fliegen

Globetrotting Fun, Spaß, verheißt die Packungsbeilage bei diesem Programm von BMG, sprich Bertelsmann. Den meisten Spaß hat man gemeinsam mit anderen Lernenden, hatte der Softwareexperte Wilfried Hendricks gemeint. Ich spiele also mit Christoph und mit Hartmut. Der Computer stellt die Pässe aus, Startkapital gibt es per Checkcard und am Berliner Flughafen (Tegel? Tempelhof? Schönefeld?) geht's los. Um die Welt. Christoph zieht's zuerst nach London, wo er sich in einem Hotel einmietet und sich um den Job eines M-I-6-Agenten bewirbt. Pech gehabt, seine allgemeine Bildung in Sachen Geheimdienste reicht nicht aus, etwas Geld verdient er zwar, aber Weiterreisen ist angesagt. Afrika, wie aufregend. Wieder ein Zimmer mieten, wieder versuchen, die Anforderungen für einen Job zu erfüllen. Vom Land, in dem sich Christoph befindet, erfährt er so gut wie nichts. Keine hintergründigen Fragen, keine Rede von politischen und sozialen Konflikten. Auf der Rückreise schafft er einen Abschluß: als Taucher.

Etwas beliebig in den Fragestellungen und in bezug auf die angesteuerten Länder, meint auch Hartmut, „aber nicht anspruchslos.“ Selbst seine stark entwickelten Geographiekenntnisse werden auf eine harte Probe gestellt, wenn es darum geht, in sechzig Sekunden etwa 15 Städte in Schweden zu bestimmen. Beim Flug in die Vereinigten Staaten verausgabt er sich dann völlig. Der Job als Restaurantgehilfe wird zum Fiasko. Geld für den Rückflug will auch der grimmige Alte daheim, den man offenbar nur einmal anpumpen darf, nicht mehr rausrücken. Die Bildungsreise ist zu Ende, zwei Stunden nach Mitternacht.

„Winnies Welt“ entdecken

Winnies Welt, ein Sachkundeprogramm für Grundschulkinder aus dem Hause Cornelsen, wird in der Fachpresse seit einiger Zeit als aussichtsreichster Anwärter für den „digita“-Preis 1996 gehandelt. Allein das Produkt ist bis heute nicht im Handel. Im Herbst solle es endlich soweit sein, heißt es bei Cornelsen. Ich habe mir jedoch vorgenommen, mich weder von dem einen noch von dem anderen beeindrucken zu lassen. Für den Test nehme ich die CD-ROM, eine unvollendete, fehlerhafte, eine Beta- Version also, die mir die Softwareproduzenten ausgeliehen haben. Und dann stelle ich mir vor, ich sei zehn, höchstens zwölf Jahre alt. Schon für die Installation muß ich meine Mutti fragen oder meine Lehrerin. Doch dann in „Winnies grünem Klassenzimmer“ lasse ich niemanden mehr ran. Mit der Maustaste blättere ich durch die heimische Tier- und Planzenwelt. Ein Klick auf das Symbol mit dem Ohr ... – Schon singt eine Amsel, auch ihre Alarmrufe kann ich hören, erfahren, wo sie wie lebt, wovon sie sich ernährt, welches ihre Feinde sind. Der Wissensinhalt von mehr als zwanzig Sachbüchern soll auf dieser Scheibe stecken. Ich klicke auf die Seite mit den Witzen. Tierwitze. Den vom Hasen und dem Kohlenhändler kenne ich. Kommt ein Hase zum Kohlenhändler: „Hattu Möhren? ...“ Die Geschichten, Lieder und Gedichte könnten gestalterisch etwas besser aufgemacht sein. Vielleicht stört das aber auch nicht, wenn man erst zehn ist. Unter der Rubrik Hirsch ein Reh vorzufinden, wurmt da schon eher. Trotz „Bambi“ weiß schließlich jedes Kind, daß das Reh nicht die Frau vom Hirsch ist, sondern vom Rehbock.

Sicher eine Schwäche der Beta- Version, ansonsten ein tolles Programm, daß, wenn es denn in den Handel kommt für 128 Mark als Einzellizenz und für 378 Mark als Schullizenz (für zehn Arbeitsplätze) zu haben sein wird.

Eine Kunstreise durch den „Louvre“

Geradezu kinderleicht gelangt man in das Programm rund um die berühmte französische Kunstsammlung und das historische Gemäuer. Schöne Musik, wohlklingende Kommentare, brillante Gemäldekopien auf dem Bildschirm – ein solcher Spaziergang durch die Säle des Louvre hat was. Vor allem hat er keine drängelnden Touristen. Selbst, wenn ich gar keine Ahnung von Malerei hätte, also nicht wüßte, daß die gewisse „Mona Lisa“ im Zeitabschnitt „Italienische Schule Renaissance“ zu suchen wäre, über den Index könnte ich es problemlos in Erfahrung bringen. Hinweise würde ich dort sowohl unter „B“ für „Bildnis der Mona Lisa“ als auch unter „M“ für „Mona Lisa, Bildnis der“ finden. Dann würde ich mich in den Denon Bereich klicken, in die Grande Galerie, Saal 5. Dort könnte ich Mona Lisa nicht nur betrachten, sie geschichtlich einordnen, schauen, welche Bilder im Louvre neben ihr hängen oder mir einen Kommentar zur Entstehungsgeschichte des Werkes anhören. Ich könnte auch die Biografie des Malers abfragen und problemlos mit wenigen Schritten an jede andere Stelle des Programms gelangen. Eine derart gut gemachte, komplexe Software beeindruckt ungemein. Einige wenige Schreibfehler und auch die Tatsache, daß die Schriftgröße mancher Texte etwas klein geraten ist, verblassen angesichts dieser gelungenen Co- Produktion von Montparnasse Multimédia und der Réunion des Musees Nationaux, seit 1994 bei Bertelsmann im Angebot.

Nähere Infos:

* Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest, Tel.: (02921) 683-1.

* In Heft 7/1996 der Stiftung Warentest ist ein großer Test von Lernprogrammen für Schüler. Tel.: (030) 2623014.

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