"Absolut tödliche Mischung"

■ Diskussionen über Ursachen für Anstieg der Zahl der Drogentoten. Drogenbeauftragte warnt vor politischer Repression gegen Drogennutzer

Der rasante Anstieg der Zahl der Drogentoten auf 94 in der ersten Hälfte dieses Jahres (Vergleichszeit 95: 47) hat Diskussionen über die Ursachen entfacht. Die Drogenbeauftragte des Senats, Elfriede Koller, weist auf die „Auffälligkeiten der Statistik“ hin. Stark angestiegen sei die Zahl derer, die an einer Heroin-Überdosis gestorben seien: 14 Toten in der ersten Jahreshälfte 1995 stünden 27 Drogenopfer in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber. Verdoppelt von 14 auf 28 habe sich die Kombination von Heroin und Kokain als Todesursache. Gab es 1995 den ersten „Ecstasy-Toten“, fänden sich 1996 bereits zwei Opfer der Designerdroge in der Statistik. Zwei weitere Personen seien in diesem Jahr an einer Überdosis Amphetamine oder einer Kombination aus Amphetaminen und Heroin gestorben.

Der Präventions- und Aufklärungsverein für „Partydrogen“, „Eve 'n' Rave“, ist anderer Meinung. Ihm sei 1996 kein Ecstasy- Toter bekannt. Auch beim letztjährigen angeblichen „Ecstasy- Opfer“ sind für „Eve 'n' Rave“ andere Ursachen für den Tod des Mannes verantwortlich.

Michael Hoffmann-Bayer, Mitarbeiter beim „Drogennotdienst“, bestätigt, daß vor allem die Kombination von Heroin und Kokain fatale Konsequenzen habe. Wenn obendrein, was in der Szene in letzter Zeit häufig beobachtet werde, die Drogen in sehr unterschiedlicher Stoffqualität angeboten würden, gäben sich Süchtige leicht eine „absolut tödliche Mischung“. Außerdem habe man beobachtet, daß momentan „eine enorme Menge verschreibungspflichtiger Medikamente in der Szene aufgetaucht sind“, sagt Hoffmann-Bayer.

Vor Mutmaßungen über die Ursachen warnt Landesdrogenbeauftragte Elfriede Koller: „Seit es hierüber statistische Aufzeichungnen gibt, können wir immer wieder unerklärliche Schwankungen beobachten. Die Drogenszene hat ihre Eigengesetzlichkeit.“ Es gebe ein neues Phänomen, daß sich „Leute aus der Techno-Szene, die von den euphorisierenden Drogen aufgedreht sind, mit Heroin wieder runterholen“, hat Koller beobachtet. Ob es einen neuen Trend hin zu Heroin gebe, könne sie noch nicht einschätzen. Eine Verschärfung polizeilicher Repressionen werde aber ebenso wenig Einfluß auf die Statistik nehmen wie die Kürzung oder Erweiterung von Hilfsprojekten, betont sie.

Ersteres behauptet auch „Eve 'n' Rave“, deren Büro vor wenigen Tagen von der Staatsanwaltschaft durchsucht wurde. Der Verein, der nicht als Drogenberatungsstelle anerkannt ist, wird verdächtigt, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben. Eve 'n' Rave läßt beim drug-checking Ecstasy- Pillen auf ihre qualitative und quantitative Zusammensetzung hin untersuchen, „um das Risiko beim Ecstasy-Konsum zu minimieren“. Vorstandsmitglied Hans Cousto verteidigt den Anspruch, den Drogengebraucher aufzuklären und dadurch zu schützen: „Wo kein Wissen ist, kann man auch keine vernünftige Politik machen.“ Eva Behrendt