: Zurück in die Autozukunft
■ Schweizer Volksbegehren will Zahl der Autos auf dem Stand von 1975 einfrieren. Abstimmung im Jahr 2000
Zürich (taz) – Weniger Autoverkehr bringt mehr Lebensqualität, meinen viele. In der Schweiz handeln sie auch. Schon 1992 gründete ein Grüppchen von Schweizer AutoskeptikerInnen den Verein „Umverkehr“, zwei Jahre später wurde die gleichnamige Volksinitiative lanciert. Deren radikaler Inhalt: „Bund, Kantone und Gemeinden halbieren den motorisierten Straßenverkehr innerhalb von zehn Jahren nach Annahme der Initiative.“ 100.000 Unterschriften mußten in 18 Monaten gesammelt werden, am 20. März 1996 konnten die Signaturen der Bundeskanzlei in Bern überreicht werden.
Überraschend am derzeit radikalsten Schweizer Volksbegehren zum Thema Verkehr ist die Tatsache, daß die Initiative Zuspruch findet, obwohl ihm die großen Verbände und Parteien die Unterstützung versagen.
Nur die Jungsozis und Grünen, nicht aber die SozialdemokratInnen tragen die Halbierungsidee mit. Auch der einflußreiche grüne Verkehrsclub der Schweiz (VCS) überlegt sich eine Mitwirlung noch. „Immerhin acht VCS-Sektionen aber unterstützen uns“, so Christian Harb vom „Umverkehr“-Vorstand.
2010 so viele Autos wie 1975
Harb, der selbst über 5.000 Unterschriften gesammelt hat, will sich nicht in die Träumerecke stellen lassen. Nicht nur in den verkehrsgeplagten Städten, auch in ländlichen Regionen habe man viel Verständnis für die Verkehrs-Initiative gespürt.
So radikal sei das Anliegen auch gar nicht: Wenn der Entscheid nach der Behandlung in Bundesrat und Parlament voraussichtlich im Jahr 2000 vors Volk kommt, würde eine Annahme nur eine Reduktion der Verkehrsleistung auf das Nivau von 1975 bringen.
Welche Mittel zur Halbierung des motorisierten Verkehrs ergriffen werden, läßt der Initiativtext übrigens offen. Im Gespräch werden Maßnahmen wie Ökobonus, Straßenzölle, Fahrgemeinschaften, Parkplatzmanagement und gemeinsame Autonutzung genannt. Ausgenommen von der Schrumpfkur wäre natürlich der öffentliche Verkehr.
Vor einem Monat erst wurde im Kanton Basel-Stadt ein Totalverbot „Stadt ohne Auto“ mit großer Mehrheit abgelehnt. Ähnliche Volksbegehren kommen 1997 in den Städten Zürich und Bern zur Abstimmung. Vom Basler Mißerfolg lassen sich die „UmverkehrerInnen“ indes nicht entmutigen.
Sie hoffen vielmehr, am denkwürdigen Triumph der Alpeninitiative vom Februar 1994 anknüpfen zu können. Zur Überraschung aller wurde damals die linksgrüne Forderung nach einer Verlagerung des alpenüberquerenden Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene mit 52 Prozent Ja-Stimmen angenommen.
Die Referendums-Gegner sehen's genauso. Die Automobil Revue zum Beispiel warnt, das „völlig abstruse Ansinnen der fundamentalistischen Mobilitätsverhinderer“ müsse ernstgenommen werden, um eine neuerliche Blamage zu verhindern. Pieter Poldervaart
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