: Ifo-Institut politisch auf Schlingerkurs
Die deutsche Konjunktur erholt sich langsam, sagen die Ifo-WirtschaftsforscherInnen. In ihrer Standortanalyse knicken sie ein: Die ist doch nicht „interessenpolitisch motiviert“ ■ Von Ulrike Fokken
Berlin (taz) – Die abgesackte Konjunktur in Deutschland scheint sich zu erholen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zwar im zweiten Quartal 1996 lediglich um ein halbes Prozent im Verhältnis zum ersten gestiegen. Doch das Münchener Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung bescheinigt der Konjunktur in ihrem gestern veröffentlichten Bericht „eine erste Belebung“.
Das Ausland hat wieder verstärkt deutsche Produkte gekauft, so daß die Industrie ihre Maschinen und Anlagen besser auslasten konnte. Im März noch lag die Kapazitätsauslastung der westdeutschen Unternehmen bei nur 82 Prozent und damit 0,5 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt. Wer tief fällt, steigt hoch: Nach Konkursen und Rationalisierungen stieg auch die Auslastung der ostdeutschen Unternehmen an.
So soll es laut Ifo bis Jahresende in ganz Deutschland weitergehen: Die Produktion zieht weiter leicht an, das BIP legt durchschnittlich um 0,75 Prozent zu. Laut Ifo unterstützen „moderate Lohnabschlüsse, niedrige Zinsen und das insgesamt günstige internationale Umfeld“ die Wiederbelebung.
Den über vier Millionen Arbeitslosen bringt das nichts. Lediglich 30.000 von ihnen werden in Westdeutschland einen Job bekommen. In Ostdeutschland werden dagegen noch mehr Menschen von der Lohnrolle gestrichen. Für 1997 prognostiziert Ifo dort 15,6 Prozent Arbeitslosigkeit, im Westen 8,8 Prozent. Die unabhängigen WirtschafsforscherInnen rügen denn auch die deutsche Wirtschaft. Im Inland „dominiert das arbeitsplatzvernichtende Rationalisierungsmotiv, arbeitsplatzschaffende Erweiterungsinvestionen werden im Ausland getätigt“.
Damit gelangt das Ifo zu seinen politischen Ratschlägen. Die „realen Lohnkosten müssen in den nächsten Jahren spürbar hinter dem Fortschritt der Arbeitsproduktivität zurückbleiben“, damit die Arbeitslosenzahl sinke. Hiermit bleibt das Ifo allerdings spürbar hinter seinen eigenen Aussagen zurück. Vor zwei Wochen schockten die eher konservativen Münchner ForscherInnen die WirtschaftsvertreterInnen. Deren Gejammer über die hohen Lohnstückkosten sei „interessenpolitisch motiviert“ (siehe taz vom 25.7.). Das Ifo bescheinigte deutschen ArbeiterInnen, außergewöhnlich produktiv zu arbeiten und dafür einen angemessen hohen Lohn zu erhalten.
Sie seien völlig falsch interpretiert worden, versuchte sich vor zwei Tagen Ifo-Präsident Karl- Heinrich Oppenländer herauszureden. Die Zahlen würden zwar stimmen, die Analyse im Kern auch. Aber im ganzen sei die Studie falsch verstanden worden. Der Standort Deutschland sei „nicht in Ordnung“, sagte Oppenländer. Wertende Sätze wie den von der „Interessenpolitik“ zog er zurück.
„Die Studie hätte nie außer Haus gehen dürfen“, sagte vergangene Woche ein Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelstages zur taz. Präsident Hans- Peter Stihl hatte sich lautstark über die Ifo-Studie aufgeregt und im Gegenzug die 40 Stunden Woche gefordert. Doch die Ifo-ForscherInnen sind unabhängig und „stimmen grundsätzlich ihre Veröffentlichungen mit niemandem ab“, sagte eine Sprecherin gestern: „Das kann ins Auge gehen.“
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