: Mehr Müll in die Hütten
■ Was geschieht, wenn aus dem Trabi ein Plastehocker wird und die Waschmaschinentrommel zur Bar mutiert? Im Osten hatte dies verheerende Folgen
„Sacken Sie Ihre Haushaltsabfälle ein, und Sie bekommen Ihren individuell gestalteten Stuhl aus der Tüte.“ So werben seit vier Jahren die Designer Bär + Knell aus Bad Wimpfen. Auch kleine Sofas, Beistelltische oder Leuchtrohre kann das Team aus Joghurtbechern, Bonbontüten oder Plasteflaschen produzieren. Nach Wunsch werden Einkaufsbeutel oder ausgediente Kreditkarten auf die Oberfläche geschmolzen, wenn's sein muß, auch Sprüche wie „Recycling ist machbar, Herr Nachbar!“
Möbel aus Müll – billig sind sie wieder einmal nicht, aber sehr eigen. Und umweltverträglich hergestellt. 1.000 bis 1.500 Mark muß, wer sein Hinterteil guten Gewissens plazieren will, für einen Designerstuhl berappen, weiß Andrea Harre von dem Möbelhaus Katakomben in der Schöneberger Monumentenstraße. Preiswertere Müllmöbel bietet da Faram im thüringischen Rohr bei Meiningen.
Daß nach sechs Jahren deutscher Einheit auf hauptstädtischen Magistralen nur noch selten Trabis unterwegs sind, dürfte Ausdruck für den Erfolg des Recycling-Unternehmens sein. Die Faram verarbeitet die Karosserien der alten Rennpappen, eine Masse aus Jute und Phenolharzen, zu Tischen, Hockern oder Plastebalken und -brettern. Sie lassen sich ebensogut verarbeiten wie Holz.
Der letzte Schrei sind Möbel aus Müll allerdings nicht mehr. Wer heutzutage ökologisch etwas auf sich hält, stellt sich eher ein sogenanntes Ready-made in die Hütte. „Das sind ausgediente Waschmaschinentrommeln, die zu einer Bar umgebaut, oder alte Tassen, die in Lampen verwandelt werden“, sagt Andrea Harre. Seit einiger Zeit ist ein Schweizer Arbeitslosenprojekt mit runden Schränken, hergestellt aus Betonverschalungsröhren, auf dem Markt. Andere Berliner Künstler grasen die Berliner Recycling- Höfe ab, um alte Kühlschränke, Kaffeemaschinen oder Badewannen aufzulumpern und mit neuem Leben zu erfüllen.
Wer vermutet, Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit steckt mit ihrem neusten Vorschlag, in Berlin die Sperrmüllabfuhr wieder einzuführen, hinter diesem Trend, der irrt. Die Philosophie, alte Dinge erneut, nur anders und möglichst unerkannt zu verwenden, ist keineswegs ein Produkt der Überflußgesellschaft. In der DDR, wo für Geld bekanntlich nicht alles zu haben war, setzten Material- und Rohstoffmangel schier unerschöpfliche Potentiale frei.
Ob Eierbecher aus Fahrradsattelfedern oder Schirmständer aus Ofenrohren, an so manchem Rat der dem Namen nach bereits für sich sprechenden DDR-Zeitschrift Guter Rat hätten Mülldesigner heute wahre Freude. In Beton eingelassene Flaschen ersetzten zu DDR-Zeiten die in den siebziger Jahren in Mode gekommenen Glasbausteine. Und weil in den Achtzigern in keinem guten ostdeutschen Haushalt gedrechselte Kerzenständer fehlen durften, empfahl der Ratgeber, ausgediente Tischbeine oder Treppengeländer aus Abbruchhäusern zu verwenden. (Vergleichbare Ratschläge sind heute wohl nur noch in der Brigitte zu finden.)
In der DDR zeigten solche Tips verheerende Wirkung. So mancher Gegenstand wurde, um ihn weiterzuverwerten, vorfristig seiner eigentlichen Bestimmung entzogen. Sprich: In den Berliner Altbauten wurden Treppengeländer geplündert. Sie endeten als Kerzenständer. Kathi Seefeld
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