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Chaostage in Gütersloh

■ Bertelsmanns Partner bleiben zusammen. Nur wozu?

Am Donnerstag kamen in der Bonner Telekom-Zentrale eine Handvoll Herren zusammen, um sich einen Sinn zu suchen. Alles Player der Medienwirtschaft, die sich plötzlich sehr machtlos vorkommen müssen: Ihre „Multimedia-Betriebsgesellschaft“ (MMBG), von Bertelsmann und CLT, der Telekom, dem französischen Canal+ sowie ARD und ZDF einst gegründet, um Leo Kirch beim Digital-TV mit vereinter Kraft Paroli zu bieten, hat seit Freitag vergangener Woche keinen Unternehmenszweck mehr. Da saßen Bertelsmann-Manager unter Kirchs DF1-Logo und verkündeten Kapitulation: Das eigene, inzwischen mächtig eingedampfte Angebot solle auch über DF1 vertrieben werden. Und auch in die Vermarktung des Konkurrenzdecoders sollen die Bertelsmänner einsteigen. Beide Aufgaben sollte eigentlich die MMBG für die andere Seite wahrnehmen. Doch eine andere Seite als Kirch gibt es nun wohl nicht mehr.

Vorweg: Die Herren wurden am Donnerstag nicht fündig. Die Bertelsmann-Manager Michael Dornemann und Thomas Middelhoff verwandten in Bonn viel Zeit darauf, ihre Partner zu besänftigen: Es sei noch gar nichts abgemacht mit Kirch; natürlich werde man die MMBG einbeziehen. Auch die 850 bei der CeBit-Home angemieteten Messequadratmeter solle die „Betriebsgesellschaft“ füllen. Nur womit?

Vielleicht wird die Gesellschaft, die immer noch keinen Briefkopf hat, wieder die „Mediabox“ ausstellen, ihren Decoder. Davon könnte sie bald eine Menge übrighaben: Kirch hat den Preis seiner eigenen Kiste so weit heruntersubventioniert, daß der Verkauf der „Mediabox“ ein teures Vergnügen sein dürfte. Und ein unsinniges, wenn Bertelsmann und Telekom bei der „primus“ mitmachen, die Kirchs „d-box“ verkauft. Da sind sie, neben Kirchs Partner Metro und der glücklosen Vebacom, nun zum Mitzahlen eingeladen.

Besänftigung tat not: Alle Bertelsmann-Partner waren aufgebracht über deren „Chaosmanagement“. Besonders ARD und ZDF könnten die Gelackmeierten sein und am Ende mit ihren Digitalangeboten bei Kirch um den Platz in der letzten Reihe anstehen. Bertelsmann, machte sich ARD-Verhandler Werner Hahn Mut, werde doch nicht „Kirchs Risiko auf die MMBG verschieben“ wollen.

Die Telekom, hört man, signalisierte Hoffnung: Die MMBG werde es notfalls auch ohne Bertelsmann geben. Wenn die Gütersloher nicht wollten, werde man die zweite Digital-TV-Plattform eben mit anderen auf die Beine stellen. Doch den Künsten der gänzlich unerfahrenen Telefongesellschaft traut kaum jemand weiter als jenen von Bertelsmann. Lutz Meier

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