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Ein Disneyland in Fort Knox

Mit dem Plan, Veranstalter noch mehr auszupressen, sägt Samaranch am eigenen Ast: Demnächst wird das IOC seine eigenen Olympia-Städte bauen müssen  ■ Von Matti Lieske

Atlanta (taz) – Alles begann mit Izzy. Als die Olympia-Organisatoren von Atlanta das mißratene Maskottchen vorstellten, war klar, daß mit diesen Spielen etwas faul sein mußte. Danach konnten Transportchaos, technische Pannen und kommerzielle Exzesse kaum noch verwundern. Die Bombe im Centennial Park setzte dem Ganzen die Krone auf. „Wir wollen ein positives materielles und geistiges Erbe hinterlassen“, hatte es geheißen. Doch Olympia 1996 stand unter einem unguten Stern.

Das Organisationskomitee (ACOG) und insbesondere dessen Chef Billy Payne ernteten Häme und Hiebe von allen Seiten, und nicht zuletzt auch vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), das sich langsam fragte, ob es nicht doch etwas falsch gemacht hatte, als es die Spiele nach Atlanta und nicht nach Athen vergab.

„Das hätten wir besser gemacht“, warfen sich schon nach wenigen Tagen die Olympia-Kampagneure aus Griechenland, Berlin, Manchester und anderen gescheiterten Bewerberstädten in die Brust. Nicht ganz so wohl war es den Beobachtern aus Sydney, die den ganzen Ärger in vier Jahren tatsächlich am Hals haben werden.

„Die Spiele sind so riesig geworden, da bekommt jede Stadt Schwierigkeiten“, hatte der deutsche Basketballer Detlef Schrempf völlig richtig festgestellt. 11.000 Athletinnen und Athleten, 15.000 Medienleute, drei Millionen an Publikum — nicht auszudenken, wenn diese Massen im engen, hektischen und versmogten Athen eingefallen wären.

Atlanta war durchaus die ideale Wahl für diese Spiele. Es verfügt über ein großzügiges Straßennetz, eine, wenn auch überlastete, U-Bahn, ausreichend Hotels und geräumige Sportarenen, die dicht beieinanderliegen. Das meiste existierte bereits vorher, wodurch die Kosten für die privat finanzierte Veranstaltung erheblich gedämpft wurden. Dennoch gab es die erwähnten Probleme, auch wenn sich vieles nach den ersten Tagen besserte.

Was vor allem störte, war „der Anblick der Spiele“ (IOC-Marketingexperte Dick Pound) außerhalb der werbefreien Arenen. Fast alles spielte sich in der ohnehin häßlichen Downtown ab, die mit ihren Brachflächen und Parkhäusern diversen Firmen, ob offizielle olympische Sponsoren oder nicht, die Möglichkeit bot, sie in eine gigantische Kirmes zu verwandeln. Olympisches Flair oder so etwas wie Gemütlichkeit konnte hier nicht entstehen, und der Centennial Park war allenfalls eine Karikatur dessen, was sich auf den Plätzen von Barcelona oder in den Straßen von Lillehammer abgespielt hatte.

Das war es allerdings nicht, was Dick Pound störte. Er regte sich keineswegs über die großen Firmen und Sponsoren auf, die das Bild prägten. Was ihn ärgerte, waren die kleinen Straßenhändler, denen das ACOG und die Stadt Plätze vermietet hatte, um aus den roten Zahlen herauszukommen.

Solchem Treiben will das IOC ein Ende machen und die Spiele nur noch an Städte vergeben, in denen Kommune oder Staat voll für die Finanzierung aufkommen. Demnach hätte das finanzschwache Atlanta voll für das 1,7-Milliarden-Dollar-Budget geradestehen müssen. Gleichzeitig wollen die olympischen Gralshüter die totale Kontrolle über die Vermarktung und einen immer größeren Teil an den Fernseheinnahmen. Offenbar ist ihnen in ihrem Größenwahn überhaupt nicht bewußt, daß sie emsig am eigenen Ast sägen und genau auf jenen Abgrund zusteuern, in dem sie Ende der 70er fast gelandet wären.

Erst das Konzept der privaten Finanzierung hatte es damals möglich gemacht, daß Olympische Spiele überhaupt noch stattfinden konnten. Nach dem Milliardenverlust, den sich Montreal 1976 eingehandelt hatte, gab es für 1984 nur noch eine Bewerberstadt: Los Angeles.

Der Gewinn, den diese Spiele brachten, hatte den Goldrausch ausgelöst, der immer noch andauert, wie die Bewerbung von zehn Städten für 2004 zeigt. Aber der Boom kann schnell vorbei sein, wenn die Kandidaten begreifen, daß sie mächtig draufzahlen und der Imagegewinn, wie Atlanta zeigt, keineswegs garantiert ist. Sydney muß wohl oder übel akzeptieren, was ihm das IOC aufdrückt, Kapstadt würde wahrscheinlich aus Prestigegründen alles mitmachen. Dann aber könnte die Zahl der Städte, die sich zugunsten von IOC und Coca-Cola auspressen lassen wollen, schon sehr knapp werden.

„Wenn das IOC solche Bedingungen stellt, werden die Spiele nie nach Amerika zurückkehren“, schrieb The Atlanta Journal-Constitution, und auch die europäischen Metropolen kämen kaum noch in Frage, denn sie sähen sich, selbst wenn sie so verblendet wären, eine Bewerbung einzureichen, mit Anti-Olympia-Bewegungen konfrontiert, gegen die jene von Amsterdam und Berlin nur ein Klacks waren.

Früher oder später wird das IOC nicht umhin können, eine eigene Olympia-Stadt zu bauen, die sämtlichen Erfordernissen gerecht wird und in den vier Jahren zwischen den Spielen vielleicht als Vergnügungspark à la Disneyland dienen könnte.

Angesichts der Sicherheitsproblematik wüßte ich auch schon einen geeigneten Standort: Fort Knox.

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