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Hysterische Geiger

■ Wie aus Waschlappen Superagenten werden. Lalo Schifrin hat den Soundtrack zu "Mission: Impossible" komponiert

Schon ein paar Sekunden dieser pulsierenden Musik im 5/4-Takt reichen aus. Und jeder, der in der Zeit des Babybooms aufwuchs, fühlt sich in die Zeit der Kindheit versetzt. Alle kennen die Erkennungsmelodie von „Mission: Impossible“ („Kobra, übernehmen Sie“), selbst wenn sie aus pädagogischen oder anderen Gründen nie auch nur eine Szene aus dieser 60er-Jahre-Fernsehserie gesehen haben. Das macht auch nichts, denn die Bilder sind gar nicht so wichtig: Es ist hauptsächlich die Titelmusik des argentinischen Filmkomponisten Lala Schifrin, die die US- Agentenreihe zur Legende gemacht hat. Für die Kinoversion wurde Schifrins Komposition jetzt wiederbelebt. Bruce Geller, Autor, Produzent und Regisseur der Fernsehserie war vom „Mission“-Thema damals so begeistert, daß er die Anfangssequenz vollständig der Musik unterwarf. „Auch später haben wir ganze Szenen nach diesem Prinzip behandelt – die Musik, laut und im Vordergrund, bestimmte den Schnitt.“

Der 64jährige Schifrin, dessen Werk hierzulande trotz Easy-Listening-Hype noch nicht so recht entdeckt worden ist, hat auch den Soundtrack für diverse andere TV- Serien geschrieben (u. a. „Mannix“, „Petrocelli“, „Starsky & Hutch“, „The Man From U.N.C.L.E.“). Die Musik für Kinofilme wie „The Cincinatti Kid“, „Bullitt“, „Dirty Harry“ oder „The Amityville Horror“ geht ebenfalls auf das Konto des mehrfachen Grammy-Preisträgers. Sein Markenzeichen auf über 150 Soundtracks: dynamische Jazz-Kompositionen, scharfe Bläser-Riffs, hysterische Geigen, heftige Tasten sowie ausgeklügelte, südamerikanische Rhythmusarbeit.

Das spannungsgeladene, groovige Titelthema von „Mission: Impossible“ ist in seiner Prägnanz wohl nur mit dem ebenfalls in den 60er Jahren entstandenen Bond- Thema von Monty Norman und John Barry zu vergleichen. Es ist jedoch weniger dunkel und sinfonisch, sondern kommt schneller auf den Punkt. Der Zeit hat der experimentierfreudige Komponist Schifrin einmal gesagt, daß Filmmusik zu komponieren „wie Briefe schreiben“ sei: „Für das Fernsehen – eine Telegramm. Wenn das Fernsehgerät im Wohnzimmer läuft und man ist gerade in der Küche, dann muß die Musik wie ein Signal sein, schnell, eingängig – ahhh, ,Mission: Impossible‘!“

Zum Kinostart ist das „Mission“-Signal auf mindestens sieben verschiedenen CDs und Maxis zu hören, die allesamt beweisen, daß 30 Jahre der Melodie nichts anhaben konnten. Die interessanteste und am besten kommentierte Zusammenstellung haben Frank Jastfelder und Stefan Kassel für Motor Music gemacht. Humorvolle Linernotes, kühles Layout – und dann sind hier neben „Mission: Impossible“ und den wichtigsten Filmmusiken Schifrins auch noch ein paar Raritäten versammelt: eine hektische Interpretation von Bernsteins „Maria“ sowie zwei unveröffentlichte Stücke, „Anpacondra Soul“ und eine Coverversion von Billy Pages „The In Crowd“. In Sachen „Mission: Impossible“ ziehen die Schifrin-Experten Jastfelder und Kassel folgendes Fazit: „Ein berauschendes Streicherflirren Marke Schifrin verwandelte sogar Schlappschwänze in Super- Agenten.“ Auch einen Tom Cruise. Hans Hermann Kotte

„Mission: Impossible...and more! The Best of Lalo Schifrin (1962–1972)“. Motor Music 535 495-2

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