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■ ScheibengerichtEinstürzende Neubauten

Ende Neu (Our Choice/Rough Trade)

Bargeld, was ist mit ihm, er wirkt ja so verhetzt? In sämtlichen Vorabinterviews, die Blixa Bargeld zum am 19. August erscheinenden Album „Ende Neu“ gegeben hat (mit der taz spricht er nicht mehr, weil ich mal eine negative Kritik geschrieben habe), beeilt der Dichterfürst der Einstürzenden Neubauten sich mit der Feststellung, daß ihm so recht eigentlich nichts Neues mehr eingefallen sei. Aus Gründen der Bandräson habe er sich halt nochmal aufgerafft, um die anderen nicht in ungünstigen Kontrakten hängenzulassen. Hélas, Kameraden, Flucht nach vorn zurück! Arbeitsplätze sind heute knapp, bald kommen wieder die Zahlen aus Nürnberg, aber im Ernst: Hat jemand von den Neubauten wirklich noch Neues erwartet?

„Ende Neu“ ist die Verfeinerung einer Formbastelei, die schon auf „Tabula Rasa“ (93) vor allem noch Theaterdonner war, hier getarnt als Roots-Rekurs aufs Grobmetallene und mit Motoren als Taktgeber. „NNNAAAMMM“ (= „New To New Age Advanced Ambient Motor Music Machine“) zum Beispiel wurde um die Rhythmen parallel laufender, aber nicht synchronisierbarer Motoren konstruiert, zehn Minuten Rohstoff- Techno in der Orff-Disco (was das Energie kostet!). „Installation No. 1“ überläßt die herbeigeschleppten Bestandteile ihrer Eigengesetzlichkeit, und zum großen Finale treffen die Streicher des Brüsseler Symphonieorchesters auf ein singendes 70.000-Volt-Kabel. Dieses Welcome to the machine will Bargeld im Sinne des romantischen „Schläft ein Lied in allen Dingen“ verstanden wissen, Poesie des Maschinenzeitalters gewissermaßen, aber erstens leben wir mittlerweile im Computer Age, zweitens klingt das Ganze viel sittsamer als die Beschreibung, und drittens halt einfach mehr nach der Erweckung des inneren Heimwerkers. Eisenhans auf Bauernfang: Dieses Album wurde ihnen präsentiert von den Einstürzenden Neubauten und OBI.

Auf der anderen Seite macht Neubauten-Bashing heute überhaupt keinen Spaß mehr. Im Jahre 7 nach dem Mauerfall klingt die heinermüllernde Schulbubenphantasie von Avantgarde und Dandy-Grandezza, die Bargeld mit seiner Gang (Marc Chung und FM „Mufti“ Einheit sind inzwischen abgesprungen) im Treibhaus-Berlin der Achtziger ausgeheckt hat, dermaßen anachronistisch, daß man in den Trümmern schon wieder verzweifelt nach Genießbarem zu suchen beginnt. Der Spätestexpressionismus in „Explosion im Festspielhaus“ („Myriaden Wonnefeuer / herausgeschleudert hineingeschleudert / Milchstraßencumshot“)? Na, vielleicht doch lieber nicht. Das Titelstück „Ende Neu“ ist ein vertretbares Stirb- und-werde im Sinne Goethes, und „Stella Maris“, in dem Meret Becker Bargeld als Duettpartnerin die Kylie Minogue macht, ginge als hübscher Schlager durch, wären die Neubauten nur nicht ganz so zäh und pathetisch in ihr Image vergraben ...

„Der Tod ist ein Dandy auf'm Pferd“: Das Gescheiteste wäre, Bargeld ließe die mühsam trainierte Maske schönheitsdienerischer Arroganz einmal fallen, und dahinter käme wieder etwas von dem blassen Jungen zum Vorschein, der, das hört man in der Stadt ein ums andere Mal, eigentlich ein ganz netter Typ gewesen sein soll.

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