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Verbotenes Antibiotikum verseucht Rindfleisch

■ In jedem 30. Rind fanden Tierärzte das knochenmarkschädigende Chloramphenicol. Ohne Medikamente bricht die Massentierhaltung zusammen

Berlin (taz) –Als wenn Rindviecher und Kälber unter BSE nicht schon genug litten – jetzt pumpt der Mensch ihnen zusätzlich Chemie in die Adern. Weit verbreitet und beliebt ist das seit August 1994 in der Europäischen Gemeinschaft verbotene Antibiotikum Chloramphenicol. Doch Veterinäre des „Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin“ haben im vergangenen Jahr in Tausenden Tonnen Fleisch eben dieses Medikament nachgewiesen, schreibt Der Spiegel. Stichproben der amtlichen Tierärzte ergaben, daß jedes dreißigste Rind Spuren des Antibiotikums enthielt. Kälber waren gar überproportional zu 18 Prozent belastet. Nur Schweinefleisch scheint gesünder: 3,2 Prozent der untersuchten Tiere hatten das Antibiotikum intus.

Die Liste der Nebenwirkungen von Chloramphenicol ist lang. Es ist unter anderem knochenmarkschädigend und verändert das Blutbild. In Deutschland wird es daher im Bereich der Humanmedizin fast nur für äußerliche Anwendungen wie Augentropfen oder Hautcremes eingesetzt. Innerlich wird Chloramphenicol nur bei schweren Erkrankungen wie Hirnhautentzündung verwendet. Die Nebenwirkungen sind zwar seit den fünfziger Jahren bekannt, doch wird Chloramphenicol erst seit den achtziger Jahren schrittweise verboten. Zunächst wurden belastete Hühnereier aus dem Verkehr gezogen, später dann auch die Hühner selbst. Im August 1994 verbot die EU den Stoff dann für alle verzehrbaren Tiere.

Offensichtlich hält man sich daran nicht. Schon im Sommer 1995 waren in Schleswig-Holstein zehn Prozent aller entnommenen Proben bei Tieren und Schlachtfleisch mit Chloramphenicol durchsetzt. Auch im ersten Quartal 1996 seien mit dem Antibiotikum behandelte Tiere gefunden worden, teilte Anita Idel vom Aktionskreis kritische Tiermediziner gestern der taz. Sie rechnet ebenso wie die staatlichen Tierärzte vom Bundesinstitut mit einer hohen Mißbrauchsrate und einer entsprechenden Dunkelziffer.

Chloramphenicol wirkt bei Tieren besonders gut gegen Lungenkrankheiten und Durchfall. Unter beiden Krankheiten haben die Tiere in den Mastbetrieben der Massentierhaltung besonders zu leiden. „Der Krankheitsdruck dort ist permanent“, sagte Idel. Das ganze System würde zusammenbrechen, wenn Bauern und Tierärzte keine Antibiotika gäben. Beziehen können sie das verbotene Mittel weiterhin legal. Der US- amerikanische Pharmakonzern Parke-Davies – einst mit Chloramphenicol reich geworden – ist weiter größter Händler des Stoffes in Deutschland. Ulrike Fokken

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