: Japanische Kleinstadt verhindert neues AKW
■ Eine lokale Volksabstimmung in Maki läßt Japans Atomenergieplan scheitern
Tokio (taz) – Japan ist nicht gerade ein Land, das häufig für Sensationen an den Urnen sorgt. Die erste Volksabstimmung in der japanischen Geschichte aber hatte es in sich: Mit 12.478 gegen 7.904 Stimmen begruben die BürgerInnen der Kleinstadt Maki am Japanischen Meer gestern die Pläne für ein Atomkraftwerk an ihrem Ort. Das Ergebnis ist um so bedeutsamer, als alle gewählten Instanzen – von der Tokioter Regierung über den Präfekturschef bis zum örtlichen Stadtrat – dem seit 25 Jahren geplanten AKW bereits zugestimmt hatten.
„Maki wird das Symbol für eine neue Ära sein“, sagte der Nuklearphysiker Jinzaburo Takagi, Japans renommiertester Atomkritiker, gestern in Tokio. Die Tokioter Regierung hatte angekündigt, das Votum der Bürger in die eigene Entscheidung einzubeziehen.
Die Konsequenzen der Volksentscheidung sind weitreichend: Japans ehrgeiziger Atomenergieplan, der bis ins Jahr 2010 den Bau von mindestens einem Dutzend neuer Atommeiler vorsieht, läßt sich nicht verwirklichen. Die Behörden finden keinen neuen Standort mehr. Kurzfristig könnte dies zu verstärkten Investitionen japanischer AKW-Hersteller in anderen asiatischen Ländern führen, langfristig aber droht Japan als Trendsetter der Branche auszufallen.
Unmittelbaren politischen Einfluß hat das Referendum auf eine ähnliche Kampagne in Okinawa, wo die Inselbewohner für den Abbau der größten ausländischen Militärbasis der USA kämpfen. Der Erhalt dieser Basis ist ein Kernstück des japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrags. In Tokio könnte die Regierungskoalition aus Liberal- und Sozialdemokraten auseinanderbrechen, wenn die Sozialdemokraten einem Neinvotum zur Militärbasis folgen. Volksentscheidungen haben in Japan gesetzlich keine bindende Wirkung.
Gleichwohl könnte der Fall Maki Schule machen: Bürgerrechtler erwarten einen Boom lokaler Referenden, nachdem sich viele JapanerInnen enttäuscht von der Tokioter Politik abwenden. Georg Blume
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