: Vom Pestfriedhof zum Park der Kunden
Schöner shoppen rund um den Gertrudenkirchhof in der Innenstadt ■ Von Vera Stadie
Auf den Bänken und Holzsesseln erholen sich EinkaufsbummlerInnen vom Gedränge des Sommerschlußverkaufs, BüroarbeiterInnen machen Pause in der Sonne. Sieht an so einem Sommermittag eigentlich ganz nett aus, der Gertrudenkirchhof, dieser versteckte kleine Platz zwischen Spitalerstraße und Alster.
Den Anliegern, durchweg hanseatische Geschäftsleute, ist der Gertrudenkirchhof jedoch ein Dorn im Auge, denn auf der verwinkelten Grünfläche sollen sich mitunter auch Menschen aufhalten, die nicht zu ihrer bevorzugten Klientel gehören, vulgo: Obdachlose. Die Geschäftsleute traten daher im Herbst mit dem Anliegen an die Stadt heran, der Platz möge neu gestaltet werden. Und flugs riefen Umwelt- und Stadtentwicklungsbehörde einen landschaftsarchitektonischen Wettbewerb aus.
Aufgabe der fünf Preisträger, deren Vorschläge gestern vorgestellt wurden, war es vor allem, einen möglichst „transparenten Durchgangsort“ zu den umliegenden Geschäften zu schaffen. Der mit dem 1. Preis ausgezeichnete Entwurf des Hamburger Landschaftsarchitekturbüros „Kontor Freiraumplanung“ sieht für den Gertrudenkirchhof einen „sparsam möblierten“ Kiesplatz mit Baumdach vor. Unter dem Blätterdach sollen Ruhebänke, Spielflächen und ein Café Platz finden.
Absolut neu ist das Finanzierungsmodell. Die Umgestaltung, deren Kosten noch nicht feststehen, wollen überwiegend die Anlieger, mehrere Banken, die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) und eine Kontorhausverwaltung, bezahlen. Daß hier zum ersten Mal private Investoren eine öffentliche Grünanlage finanzieren, lobte gestern Umwelt-Staatsrat Dirk Reimers: „Dieses Beispiel kann Schule machen. Warum soll nicht auch ein Unternehmen zum Beispiel das Alstervorland adoptieren?“
Die Neugestaltung des ersten Adoptivplatzes kommt dem Anliegen der Anlieger entgegen: Ihre Kunden können künftig die Geschäfte auf geradem Wege – ungestört von „der einen oder anderen Gruppe, die sich bisher dort niederläßt“, wie Oberbaudirektor Egbert Kossak gestern die Unerwünschten umschrieb – erreichen.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, daß der Gertrudenkirchhof traditionell für alle da war. Seit dem 14. Jahrhundert war er Friedhof für Pestopfer und Arme, die kein Grab bei der Kirchengemeinde finanzieren konnten. Der Kirchhof und die Kapelle wurden beim Großen Brand 1842 zerstört. Durch die Neugestaltung der Fläche 1973/74 sollten „einer möglichst breiten Bevölkerungsstruktur Möglichkeiten des Spiels, der Entspannung und der Erholung eröffnet werden“, wie der Erläuterungsbericht beschreibt. Dazu wurden Bäume und Sträucher gepflanzt und dazwischen Ruhe- und Spielecken angelegt.
Die Zukunft des Gertrudenkirchhofs ist ab dem 7. August in den Räumen der HEW in der Landesbankgalerie – direkt am Getrudenkirchhof – zu erahnen: Dort sind die Entwürfe der am Wettbewerb beteiligten Landschaftsarchitekten ausgestellt.
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