: Abgabe soll Lehrstellen finanzieren
■ Stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Almut Mommert schlägt angesichts der Lehrstellenmisere Umlagefinanzierung vor. Beifall vom Koalitionspartner SPD. Auch das Handwerk signalisiert Offenheit
Angesichts der katastrophalen Lehrstellensituation wird nun auch in den Reihen der CDU über eine Lehrstellenabgabe nachgedacht. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Almut Mommert schlägt eine sogenannte Umlagefinanzierung vor: Unternehmen ohne Azubis sollen in einen Fonds einbezahlen, aus dem Lehrstellen finanziert werden. „Wir müssen solche Modelle vorurteilslos diskutieren, wenn die Lage so katastrophal bleibt“, appellierte Mommert, die dem Arbeitnehmerflügel der CDU angehört. Die CDU stand in der Vergangeheit solchen Modellen stets ablehnend gegenüber. Derzeit suchen noch über 8.000 Schulabgänger einen Ausbildungsplatz.
Staatssekretär Peter Haupt vom Koalitionspartner SPD begrüßte die Forderung nach einer Umlagefinanzierung. Er rechne nun mit der Unterstützung der CDU für ein gesetzliches Umlagemodell, das in seinem Hause vorbereitet werde. Auch der DGB und die Jusos beklatschten Mommerts Vorstoß. Sogar das Handwerk signalisierte Offenheit. „Wenn sich die Diskussion um ein Umlagemodell verdichtet, kann man mit uns darüber reden“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Bernd Babel, der taz. Bislang stehe die Kammer einer Umlage aber negativ gegenüber.
Mommerts CDU- und Fraktionskollege Siegfried Helias lehnte indes jede „Strafabgabe“ ab. „Unser Prinzip heißt belohnen und nicht bestrafen“, meinte Helias. Er sehe keine Diskussion in der CDU über eine Ausbildungsplatzabgabe. Hingegen zeigte sich Almut Mommert zuversichtlich, daß sich die Fraktion „in einer der nächsten Sitzungen“ mit dem Thema befassen werde.
Almut Mommert hofft darauf, daß Kammern und Tarifpartner selber aktiv werden und damit ein Gesetz überflüssig machen. So könnten die Handwerks- und Industriekammer ihre Mitgliedsbetriebe zur Ausbildung verpflichten und damit die Grundlage für eine finanzielle Abgabe schaffen. Aus einem Fonds könnten die Kammern dann neue Ausbildungsplätze schaffen. „Das wäre das Optimale“, betonte Mommert. „Da, wo es nicht anders geht“, hielt sie aber auch gesetzlich fixierte Umlagemodelle für denkbar. Ausbildungsplatzabgaben gibt es bislang in der Bauindustrie, die bundesweit 1,3 Milliarden Mark von Ausbildungsverweigerern erhebt. Auch die Schornsteinfeger verlangen einen Obolus von Nicht-Lehrherren.
Der DGB-Vorsitzende Bernd Rissmann sprach unterdessen vom „Bankrott der betrieblichen Berufsausbildung“. In Berlin und Brandenburg seien noch knapp 20.000 junge Leute ohne Lehrstellen. Die Unternehmen der Region bildeten nicht mehr, sondern weniger aus: Um acht Prozent in Berlin und 13 Prozent in Brandenburg. Die IHK zeigte sich zuversichtlich, daß die 8.000 fehlenden Lehrstellen in Berlin bis September noch aufzutreiben seien: 18 Betriebsberater seien „pausenlos im Einsatz“. Christian Füller
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