Hurra, hurra, die Heide brennt

■ Langsam wächst die Heide mit Bäumen zu. Als Gegenmittel wollen NaturschützerInnen das Land abfackeln

Wo die Heide im zarten Violett blüht und die krummgehörnten Heidschnucken zwischen Wacholder- und Ginstersträuchern weiden, wähnen sich natursuchende Stadtflüchtlinge in unberührter Landschaft. Weit gefehlt: Die Heide ist gemacht von Menschenhand. Pure Kulturlandschaft zwischen einst sumpfigen Moorgebieten und sandigen Dünen.

Entstanden sind die Lüneburger und andere norddeutsche Heidelandschaften nach einer „menschgemachten Umweltkatastrophe“, sagt die Bremer Biologin Irene Farth. „Der Wald wurde für die Salinen, d.h. den Salzabbau gerodet. Dann wurden die Flächen verbrannt und beweidet.“ Herausgekommen ist ein buntes Mosaik aus offenen Heiden, Wacholder- und Ginsterbüschen und kleinen Wäldern mit Birken und Kiefern.

Doch diese landschaftliche Vielfalt ist in Gefahr. Wenn die Heide sich selbst überlassen bleibt, verschwindet sie. „Strauch- und Baumsamen fliegen ein, dann wachsen Birken und andere Pionierbaumarten; es folgen Kiefern, Buchen und Eichen. Am Ende wäre die Lüneburger Heide ein Lüneburger Wald.

Das droht allenthalben. Weil immer mehr Stickstoff aus Auspuffrohren und Industrieschornsteinen auf den nährstoffarmen Böden landet - 30 Kilogramm pro Jahr und Hektar - und wie bester Dünger wirkt, vergrast und verbuscht die Heide - zum Schrecken von WissenschaftlerInnen und Touristenführern. Die wollen die Heide erhalten. Was früher BäuerInnen mit ihrer Arbeit quasi nebenbei erledigt haben, lohnt sich heute nicht mehr: Die Streu in die Viehställe bringen oder Birken regelmäßig fällen und verfeuern, geschieht nicht mehr. Selbst die Schafherden sind weniger geworden. Die Folge: alles sprießt. NaturschützerInnen wollen deshalb wieder häufiger zum Streichholz greifen.

Mit dem Feuer werden Sträucher zurückgehalten, die Bodenvegetation wird aufgerissen, und es entstehen neue Flächen für die typischen Heidepflanzen. Einige von ihnen blühen nach dem Flächenbrand erst richtig auf: Die sehr seltene Arnika, die Bärentraube und der Flachbärlapp lieben karge, leere Flächen. Und auch das Heidekraut keimt erst richtig nach dem Grillen.

ForscherInnen der Alfred Toepfer Akademie in Schneverdingen und des Vereins Naturschutzpark Niederhaverbeck experimentieren auf den Brandflächen. „Früher hieß es grundsätzlich: Feuer ist schlecht und muß gelöscht werden. Heute wissen wir, daß kontrolliertes Brennen Landschaften erhalten kann“, sagt Projektleiter Johannes Prüter. Allerdings haben seine Naturschützer-Innen mit einigem Widerstand zu kämpfen: Behördenauflagen, Angst in der Bevölkerung, aber auch konträre wissenschaftliche Meinungen stehen dem Zündeln entgegen. Vor allem ZoologInnen beklagen, daß in den Flammen häufig seltene Tiere umkommen. Als am 21. April ein – freilich ungeplantes – Großfeuer in der Lüneburger Heide tobte, fand man nachher die Reste seltener Birkhühner.

Nach langem Hin und Her deutet sich dennoch ein Kompromiß an: TierschützerInnen haben begriffen, daß sonnenliebende Schlangen und Eidechsen sich ebenso wie schutzbedürftige Birkhühner oder Singvögel aus zugewachsener Heidelandschaft verabschieden würden.

.Ein „Heide-Management“ soll jetzt das Mosaik wiederherstellen. Wo die Wälder zu groß werden, wollen die „Manager“ Lichtungen schlagen. In den für die TouristInnen angelegten weiten offenen Heideflächen darf dagegen auch mal eine Birke wachsen. Schafherden sollen die Vergrasung verhindern. Und wenn deren Hunger nicht ausreicht, wird gemäht.

Selbst die Humusschicht wollen die NaturschützerInnen wieder abtragen. Dieses traditionelle „Plaggen“ ist allerdings aufwendig und teuer. Übrigens ziehen die großen Maschinen riesige Fahrspuren in die Landschaft. Wie auch Pflügen und Fräsen ist das Plaggen umstritten, weil damit die natürliche Bodenstruktur zerstört wird.

Preiswerte und umweltfreundliche Verfahren sind gefragt. Im Oktober veranstaltet die Alfred Toepfer Akademie daher eine Fachtagung in der Lüneburger Heide. Titel des dreitägigen Treffens: „Feuer im Naturschutz“.

Stephan Günther