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Textilfirmen werben mit Billigarbeit

■ Leipziger Messe bietet ausländischen Betrieben ein Forum

Leipzig (dpa/taz) – Die Fertigung eines Taschentuchs kostet in Bulgarien sieben Pfennig, ein Paar Handschuhe in Litauen eine Mark. In manchen osteuropäischen und asiatischen Ländern ist die Herstellung selbst eines Herrenhemds für eine Mark und die eines Blazers für fünf Mark zu haben. Die deutsche Bekleidungsindustrie liegt mit fast 70 Prozent aller von EU-Ländern vergebenen Lohnfertigungsaufträgen ins Ausland weit an der Spitze.

Weil die Textilindustrie verstärkt nach günstigeren Produktionsstandorten im Ausland sucht, veranstaltete die Leipziger Messegesellschaft bis gestern erstmals die Spezialmesse „Contracting“. 130 Firmen aus 19 Ländern versuchten dort, Auftraggeber aus Deutschland zu finden.

Burkhard Funk von der Cartoon GmbH Düsseldorf, der langjährige Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit osteuropäischen Firmen besitzt, rät zur Vorsicht: Angesichts enormer freier Kapazitäten nähmen viele Firmen jeden Auftrag an, nach dem Motto „Wir können alles“. Neben dieser maßlosen Überschätzung brächten die Betriebe oft Referenzen mit, die viele Jahre zurücklägen. Selbst Probeaufträge renommierter westlicher Modehäuser müßten herhalten. Die genaue Prüfung der Kapazitäten und der Referenzen vor dem Einstieg sei ein Muß. Technische Probleme gebe es kaum, das finanzielle Risiko halte sich im Rahmen. Hauptsächlich organisatorische und bürokratische Fragen könnten Schwierigkeiten bereiten. „Je höher die Anforderungen, desto geringer sind die Chancen, einen Partner zu finden, bei dem Preis und Qualität stimmen.“ Hinzu komme, daß viele Firmen zwar Hosen, Blusen oder Hemden als Einzelstücke herstellen könnten, aber bei der Fertigung von Kollektionen überfordert seien.

Während zunächst nahezu alle Partner die finanzielle Beteiligung westlicher Firmen wünschten, gäben sie sich irgendwann mit Lohnfertigung nicht mehr zufrieden und drängten mit eigenen Produkten auf den Markt, so Funk. Da sei es besser, man habe den Fuß rechtzeitig in der Tür.siehe Seite 13

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