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Drei, vier Sätze... - betr.: "Einfach mal höher stapeln", tatz vom 26.7.1996

Betr.: „Einfach mal höher stapeln“, taz hh vom 26.7.96.

Hallo Leute!!

Zur Hafenerweiterung ist bestimmt mancher kritische Gedanke notwendig, da gibt es auch für mich keine Zweifel. Das Gleiche gilt für die Vertiefung der Elbe. Ich fürchte nur, ganz so einfach wie in o. g. Artikel geht es nicht.

Es beginnt für mich schon ganz simpel mit der in der Überschrift gemachten Aussage „einfach mal höher stapeln“. Für die Hafenarbeiter bedeutet dies eine deutliche Verschlechterung. Ich arbeite auf dem Tollerort-Terminal und habe ab und an das „Vergnügen“, höher stapeln zu dürfen. Als Gerätefahrer im Leerdepot stelle ich die Container 4 und 5 Lagen hoch. Im Gegensatz zu dem bisher hafenüblichen 2 hoch. Damit entstehen Entfernungen von 10 Meter und mehr, wo steil nach oben punktgenau abgesetzt bzw. der Verriegelungsbolzen in die dafür vorgesehene Containeröffnung (ca. 12x7cm) eingeführt werden muß. Also eine Arbeitsaufgabe, die wirklich alles andere als witzig ist und auch bei Nacht und Nebel, sommers wie winters durchgeführt wird. Darüber hinaus wird auf dem Tollerort-Terminal gerade damit begonnen, auch in den Van-Carrier-Reihen 3 und 4 hoch zu stellen. Da sitzt der Fahrer in 12 Meter Höhe und muß oben genau geschilderte Aufgaben wahrnehmen. Und das Fahrzeug auch noch sicher durch die Reihen steuern, auch bei Dunkelheit, Schnee und Regen. Eine erhebliche Beanspruchung.

Also ganz so einfach ist dieses nicht. Es müßte eine ganze Menge (Technik und Organisation) gemacht werden, damit höher gestapelt werden kann, ohne daß die Fahrer hinterher ausgelutscht sind. Aber ich fürchte, daß dieses Problem bleibt, solange hier Menschen arbeiten. Möglicherweise muß als mittelfristige Lösung eine Abwägung vorgenommen werden zwischen sparsamer Flächennutzung und weniger belastende Arbeitsbedingungen.

Bedeutender erscheint mir, daß die Hamburger ÖTV auf Kurs gegen die Hafenerweiterung geht. Daran stimmt, zumindest was die Beschlußlage und derzeitige Diskussion angeht, überhaupt nichts.

Es gilt immer noch der Beschluß des Bezirksvorstandes, die Hafenerweiterung und Elbvertiefung mitzutragen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zur Zeit befaßt sich eine Arbeitsgruppe des ÖTV-Bezirksvorstandes mit der Frage, ob den Vorstellungen der ÖTV Rechnung getragen wird (ich bin Mitglied des Bezirksvorstandes und dieser Ar-beitsgruppe).

Vielleicht ist diese Arbeitsgruppe ein bißchen langsam und umständlich, aber gegen die Hafenerweiterung gibt es hier (noch?) keine Entscheidung. Die von euch zitierte „betriebsübergreifende ÖTV-Arbeitsgruppe“ mit dem Kollegen von Dombrowski dagegen gibt es nicht. Vielleicht liegt hier auch nur eine Verwechslung vor, beim „Gesamthafenbetrieb“ (Leutepool ohne Betrieb und Betriebsmittel), wo die Kollegen Kamin und von Dombrowski beschäftigt sind, gibt es eine Arbeitsgruppe „Hafenerweiterung“ der ÖTV-Vertrauensleute. (...) Entscheidungen solcher Tragweite fallen aber im Bezirksvorstand.

Daß die Basis andere Sorgen plagen, mag wohl sein. Aber aus meinem bescheidenen Gesichtskreis heraus (Vertrauensleute bei GERD BUSS, knapp 1000 ÖTV-Mitglieder) sehe ich aber trotzdem keine Mehrheit unter den ÖTV-Mitgliedern gegen Hafenerweiterung und Elbvertiefung. Als Betriebsratsmitglied wage ich die Prognose, daß dieses allgemein für die Beschäftigten im Hafen gilt. Auch wenn das Umweltbewußtsein allgemein zunimmt, scheint mir nur eine deutliche Minderheit gegen die Hafenerweiterung zu sein. Aber die von Euch in die Diskussion gebrachten 90 Prozent der ÖTV-Hafenarbeiter, die gegen die Hafenerweiterung sind, mögen aus der Begriffsverwechslung mit der „betriebsübergreifenden ÖTV-Arbeitsgruppe“ entstanden sein. Die Hauptsorge heißt „Arbeitsplätze“. Wir verlieren jährlich 500 tarifgebundene Hafenarbeiter-Arbeitsplätze, allerdings wachsen auf der anderen Seite nicht-tarifgebundene Arbeitsplätze. Dieses entweder duch Tarifflucht „alter“ Hafenfirmen oder durch Neuansiedelungen, die sich gar nicht erst einem Unternehmensverband anschließen.

Es allerdings ist unser ureigenes, gewerkschaftliches Problem, Betriebe zu Tarifabschlüssen mit der ÖTV zu bewegen. Da hilft kein Maulen oder Schielen auf staatliche Stellen. Ich glaube auch, daß es gerade heutzutage wenig Aussicht auf Erfolg hat, hinsichtlich der Tarifflucht von der Stadt Hamburg zu fordern, lenkend einzugreifen. Wir werden es selber machen müssen.

Die Frage, ob wir zwangsläufig zu den neueren Rotterdamer Entwicklungen (weitestgehend automatischer Containerumschlag) kommen, halte ich für offen. Hoher Finanzierungsbedarf und geringe Flexibilität stehen im Weg, außerdem bergen neue Organisationskonzepte (z.B. Gruppenarbeit) Rationalisierungsmöglichkeiten, die billiger und effektiver sind.

Bei den absehbaren Zuwächsen im Containerbereich wird die Einbeziehung Altenwerders wohl irgendwann notwendig sein. Der Zeitpunkt ist aus meiner Sicht schlecht abzuschätzen, denn im alten Hafen kann noch eine ganze Menge getan werden bzw. wird ja auch getan. So oder so wird es die Steuerzahler einen Haufen Geld kosten, das auch ich mir woanders gut vorstellen kann.

Aber die Basis allen Wirkens ist beim derzeitigen Stand der Dinge die bezahlte Arbeit. Und die politische Position der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verschlechtert sich zunehmend. Da wir aber auf die Arbeitsplätze angewiesen sind, werden wir (und damit die ganze Gesellschaft) mehr und mehr erpreßbar. Das private Kapital, schon im letzten Jahrhundert als „scheu wie ein Reh“ erkannt, verlangt inzwischen alles von uns (als Gesellschaft) damit es überhaupt tätig wird.

Die Grundlagen sollen vom Staat mundfertig serviert werden und Beschäftigte, sofern überhaupt benötigt, haben massive Abstriche in ihren persönlichen Ansprüchen (z.B. Bezahlung und planbare Freizeit) zu machen. Die Globalisierung der Märkte bietet den Unternehmen weitere Argumente und auf Alternativ-Konzepte („realer Sozialismus“) braucht auch keine Rücksicht mehr genommen zu werden.

Ein bißchen Containerhafen? Die großen Reedereien verlangen volle Sofortabfertigung und wollen immer über die Elbe fahren. Und die vorhandene Wassertiefe von 12,5m führt schon derzeit zu Problemen mit den Tiefgängen bei mittleren Containerschiffen. (2500-3000 TEU). Die müssen dann auf das sogenannte „Tiefefenster“ warten. Das allerdings stinkt den Reedereien gewaltig, denn es kostet ihr Geld und ihre Pünktlichkeit. Genauso verhält es sich auch, wenn Schiffe auf Umschlagskapazitäten sowie die damit zusammenhängenden Dienstleistungen warten müssen. Und die Gefahr des Abwanders von Reedereien bzw. den Zusammenschlüssen besteht schlicht und einfach.

Das Kunststück besteht in der richtigen Einschätzung, wann es soweit sein könnte. Hier allerdings gehe ich lieber das geringste Risiko ein und würde mich ungern zu Lasten der Arbeitsplätze verschätzen. Das stellt natürlich einen Kompromiß dar zwischen den Anforderungen der Wirtschaft und der Vertretbarkeit unter Umweltgesichtspunkten. Und dieser muß vermutlich immer wieder neu hergestellt werden mit durchaus veränderten Schwergewichten, je nach Lage. So, nun ist es doch auf die Schnelle ein bißchen viel geworden. Aber so drei, vier Sätze mußten dann doch dazu gesagt werden. Bis dann grüßt Frank Ludwig

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