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Die Farben sinkender Befestigungen

■ Der Fotograf Erasmus Schröter inszeniert die allmählich in der Natur verschwindenden Reste des Krieges

Prachtvoll farbig angestrahlte Großplastiken entpuppen sich als massive Reste einer sinnlosen Kriegsmaschinerie: Die Bunkerreste des Atlantikwalls werden in den Fotos von Erasmus Schröter zu fast mythischen Orten stilisiert. Dreizehn Großfotos stellt jetzt die Galerie Barlach Halle K aus, in aller ambivalenten Faszination und einer Farbigkeit, die der in Hamburg lebende Fotograf selbst einmal „obszön“ genannt hat.

Dem 1956 geborenen Leipziger geht es nicht um militaristische Verherrlichung der Erhabenheit des Krieges. Er selbst überwand 1985 einen neueren Befestigungswall und siedelte aus der DDR nach Hamburg über. Erasmus Schröter versteht sich als Foto-Maler und parallelisiert im begleitenden Bildband einige der Bunker mit Blumenfotos gleicher Farbe. Auch in der Ausstellung stehen beetartig große Rosensträuße. Doch bei diesem Thema bleibt es nicht bei Formgesichtspunkten. Schon nach fünfzig Jahren versinken die für ein 1000jähriges Reich gebauten Architekturen wie riesige Schatzkästen ganz im Sand oder werden von der Brandung zu schrundigen Felsen zerschlagen: die Natur holt sich die starren Relikte des maßlosen Menschen zurück. Auch Blumen verwelken und vergehen, gleich ob zur Heldenehrung abgelegt oder als ästhetisch arrangiertes Material für Ersatznatur. Was bleibt, ist der Wandel. Mit überlegener Logistik konnten die Alliierten am 6. Juni 1944 das erstarrte Beton besiegen. Von 24tausend unterschiedlich fertiggestellten Bunkern blieben Ruinen, die sich nun über das mit ihnen verbundene menschliche Leid erheben und gegen jede menschliche Planung ein Eigenleben zu führen scheinen. Sie werden zu traurigen Tempeln der Kriegsgötter aller Zeiten, erst ein halbes Jahrhundert alt und doch zeitlos archaisch. Dabei sind diese Kriegsrelikte noch Material und nicht abstrakte, lautlose Bedrohung wie in heutiger elektronischer Kriegsführung. So bleibt ihnen die objektive Macht zur Mahnung.

Entscheidend ist, daß diese langbelichteten Bilder real inszeniert sind, es sind keine Manipulationen am Computer, keine Spielereien mit der Oberfläche. In aufwendiger Lichtregie wird den Objekten tatsächlich kurzfristig eine neue Aura inszeniert. Erasmus Schröter aktualisiert und radikalisiert die von Paul Virilio vor zwanzig Jahren begonnene Diskussion um die Bunker. Auch hinter verwunschenen Burgen, an die die Bunkerreste mitunter erinnern, standen auf Terror gegründete Machtträume, und die Frage nach der Grenze zur Unmenschlichkeit aktivieren die oft anthropomorphen Formen, wo sie rationalistischer Architektur ähneln, auch für ganz andere Bauten. Der Beton im Abendlicht wirkt mal wie Fels, mal wie eine Arche, gar wie der geheimnisvolle Eingang zum Gral und thematisiert so den Landschaftsblick der Romantik und die ewige, immer militante Suche nach dem übergroßen Ideal. Schön sind sie, die Bilder der materiellen Relikte einstigen Schreckens. Und die erreichte formale Reinheit fasziniert und läßt den Betrachter doch bald ins Leere laufen, sofern er nicht beginnt, seinen eigenen Ort ihnen gegenüber zu bedenken. Wirklich schön ist letztlich die Fähigkeit dieser Bilder, Überlegungen auszulösen. Hajo Schiff

“Mehr Licht!“, Galerie Barlach Halle K, Klosterwall 19-21, Di-Fr 12-18, Sa+So 14-18 Uhr, bis 14. September; prachtvoller Bildband, (Selbstverlag), Hardcover, 64 Seiten, 68 Mark

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