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■ KommentarTödliche Begierde

Ottensen wäre nicht das erste Viertel, das in leidenschaftlicher Umarmung durch Massen von BesucherInnen und Zugezogenen erdrückt würde. Je charmanter die Mischung aus Szene, Behäbigkeit und verschiedendsten Herkünften, desto gnadenloser die Eroberungsbegierde derer, die solches Ambiente schick finden – für selbiges aber eigentlich verzichtbar sind.

In endlosen Auto-Konvois umkreisen sie das begehrte Objekt hartnäckig bis zum Erstinken. Fast ist man geneigt, Innensenator Hartmuth Wrocklage um ein Handlungskonzept Ottensen – Platzverweise inklusive – anzuflehen. Doch auch die klügsten Konzepte zur Erhaltung der Stadtteilkultur und die raffiniertesten Verkehrsberuhigungsstrategien werden angesichts verdreifachter Kinoplätze, steigender Mieten und eines erheblichen Mehrbedarfs an entsprechender Gastronomie nichts retten können.

Aber dramatische Veränderungen sind unvermeidbar – selbst wenn Ottensen nicht durch 750.000 Parkplatzsucher im Jahr vergiftet würde, selbst wenn alle Vergnügungswilligen autolos kämen oder ihre Fahrzeuge in die für BesucherInnen vorgesehenen Parkhäuser abstellen würden statt auf der Suche nach kostenlosen Plätzen endlose Kreise zu ziehen. Mehr als die bisherigen Kino- und Freizeitangebote kann der Stadtteil nicht verkraften, ohne den Charme, den man derzeit an ihm so schätzt, zu verlieren. Investoren, Kinogänger oder die zwischen Erpressung und Eigeninteressen chaotisierenden politischen Akteure scheint das nicht zu interessieren. Das gigantische Projekt Zeise-Kinos wird so für Ottensen zur tödlichen Umarmung. Silke Mertins

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