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Kolumbiens Indios setzen sich durch

■ Eingeborene erkämpften sich mit wochenlangen Protestaktionen mehr Mitspracherechte auf ihrem Territorium

Bogotá (taz) – Nach wochenlangen Protesten haben Indio-Organisationen in Kolumbien der Regierung wichtige Zugeständnisse abgerungen. Kern des Übereinkommens ist die teilweise Erfüllung der in der Verfassung von 1991 garantierten Rechte der indianischen Minderheiten.

Der Konflikt war am 25. Juni auf der Guajira-Halbinsel im äußersten Norden des Landes entbrannt, wo die dem Innenministerium unterstehende Abteilung für indianische Angelegenheiten anläßlich eines Seminars die traditionellen Stammesführer der Wayúus gegen die Anführer der regionalen Indigena-Organisationen auszuspielen versuchte. Der regionale Anlaß führte dann zu einer nationalen Mobilisierung gegen die systematische und straflose Verletzung der Menschenrechte sowie die fehlende Umsetzung der von der Verfassung garantierten Autonomie- und Landrechte.

Anfang Juli wurde die lateinamerikanische Bischofskonferenz besetzt. Dank der Vermittlung der Kirchenfürsten konnte zumindest der Konflikt der Wayúus beigelegt werden.

Auch die Dutzenden von Besetzungen öffentlicher Gebäude im ganzen Land waren erfolgreich. Unter dem Druck ließ sich die Regierung schnell die Einsetzung einer Menschenrechtskommission für die indianischen Völker abringen. In den vergangenen fünfeinhalb Jahren sind im Kreuzfeuer zwischen Guerilla und Armee, Paramilitärs und Drogenhändlern 200 Indios getötet worden. Allein zwischen Mai und Juli wurden sechs Anführer der nordkolumbianischen Ethnie Zenu von rechten Todesschwadronen ermordet, um die Indios zum Verlassen ihrer Ländereien zu bewegen.

Mindestens ebenso wichtig erschien den Vertretern der Indios, daß endlich jene weitreichenden Reformen in die Praxis umgesetzt werden, die in der Verfassung von 1991 festgelegt wurden. Demnach sollen die Indio-Reservate erweitert werden und eine autonome Verwaltung erhalten. Die Regierung allerdings fühlt sich schon seit Jahren von den Umwälzungen, die die Reformen für viele Gemeinden und Wahlbezirke bedeuten würden, schlicht überfordert. „Innenminister Serpa hat uns um Verständnis gebeten. Die Regierung sei wegen des Prozesses um die Drogengelder in einer delikaten Situation“, erzählt der Vorsitzende der Indio-Organisation ONIC, Abadio Green.

Nachdem die indianischen Unterhändler ihre Forderungen reduziert hatten, konnte auch in bezug auf die Verfassungsreformen ein Kompromiß mit der Regierung gefunden werden. Bislang wurden indianische Autoritäten erst dannn von Bergbau-Projekten und Erdölförderungen benachrichtigt, wenn die multinationalen Unternehmen bereits angerückt waren. Nun hat sich die Regierung dazu verpflichtet, den Indios und ihren Gemeindevertretungen effektive Mitspracherechte bei der Planung von Projekten und der Vergabe von Ausbeutungslizenzen einzuräumen. Ralf Leonhard

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