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UNO will Burundi- Bericht veröffentlichen

■ Wer plante den Mord an Präsident Ndadaye 1993? Nun wird die Armeespitze, nicht aber Putschist Buyoya beschuldigt

Berlin (taz) – Der UN-Sicherheitsrat hat sich entschlossen, einen Untersuchungsbericht zu veröffentlichen, der Hergang und Folgen der Ermordung des ersten gewählten burundischen Präsidenten im Oktober 1993 schildert. Der seit Wochen fertiggestellte Bericht befand sich bisher offiziell im UN- Hauptquartier in New York unter Verschluß, doch die wichtigsten Teile kursieren bereits in Burundi.

Am 21. Oktober 1993 war der frei gewählte damalige Präsident Burundis, Melchior Ndadaye von der Hutu-dominierten Partei „Frodebu“, nach nicht einmal vier Monaten Amtszeit von Soldaten umgebracht worden. Während die Armeespitze den Putschversuch „einiger Elemente“ verurteilte, riefen Hutu-Gruppen zum Widerstand „bis zum letzten Blutstropfen“ auf. Der Putschversuch brach zusammen, aber Zehntausende von Menschen, Tutsi wie Hutu, starben bei Massakern.

Die Armee hat für Ndadayes Tod immer rebellierende „einfache Soldaten“ verantwortlich gemacht. Die „Frodebu“ hingegen hält Pierre Buyoya, Präsident Burundis bis zu seiner Wahlniederlage im Juni 1993 und seit dem Militärputsch vor drei Wochen erneut Staatschef, für den Schuldigen, da Buyoya Ndadaye den Wahlsieg nie verziehen habe. „Pierre Buyoya ist derjenige, der Präsident Melchior Ndadaye, den Sie in völliger Freiheit gewählt hatten, ermordet hat“, erklärte die „Frodebu“ nach Buyoyas jetzigem Putsch am 25. Juli. „Deshalb ist Pierre Buyoya der Urheber allen Unglücks.“ Die Partei ist auch überzeugt, daß dies im UN-Untersuchungsbericht drinstehe und Buyoya geputscht habe, um der drohenden Veröffentlichung des Berichts und einer Anklageerhebung zuvorzukommen.

Die bekanntgewordenen Teile des UN-Berichts entsprechen dem nicht. Kritisiert wird nicht Buyoya, sondern die Führung der Tutsi-dominierten Armee. „Die Ermordung von Präsident Ndadaye wurde im voraus geplant, als Teil des Putsches ... und Planung und Ausführung des Putsches wurden von hochrangigen Offizieren der burundischen Armee durchgeführt“, heißt es dem britischen Guardian zufolge im Bericht. Die Beschuldigten sind noch in Amt und Würden.

Bereits 1994 hatte eine internationale Kommission die Todesumstände von Ndadaye recherchiert. Demnach griff eine Armeeinheit unter dem jungen Leutnant Jean- Paul Kamana in der Nacht zum 21. Oktober 1993 den Präsidentenpalast an. Der „Frodebu“-Verteidigungsminister Ntakije riet daraufhin dem Präsidenten, sich in ein gepanzertes Fahrzeug zu begeben, um in das Armeehauptquartier in Muha zu fahren. Ndadaye stieg in das Fahrzeug, wo er offenbar stundenlang ohne Kontakt zur Außenwelt blieb. Um sechs Uhr kam seine Familie dazu, der Wagen fuhr los und kam eine Stunde später in Muha an, wo sich Generalstabschef Bikomagu befand. Ndadayes Frau und Kinder wurden auf Anraten Bikomagus in die französische Botschaft gebracht. Ndadaye blieb in der Obhut von Kamana. Zwischen halb zehn und zehn Uhr wurde der Präsident auf Befehl Kamanas von vier Soldaten erstochen.

Generalstabschef Bikomagu gab der 1994er Kommission an, von Kamanas Leuten mit dem Tode bedroht worden zu sein. Die Kommission schreibt jedoch, daß Bikomagu nichts unternahm, um den Präsidenten zu schützen. Der 1994er Bericht nennt den ganzen Ablauf „eine große Improvisation“ und zieht die Motive aller Beteiligten in Zweifel. So habe Kamana nicht versucht, den Präsidentenpalast zu stürmen, und Ndadaye habe nicht versucht, sich an einen sicheren Ort zu begeben.

Der neue Bericht hingegen spricht von einer Vorausplanung für Ndadayes Ermordung und macht Generalstabschef Bikomagu in viel stärkeren Maße verantwortlich – durch Mitwissen und Unterlassen. All das kann Pierre Buyoya, dem offenbar keine negative Rolle nachgewiesen wird, gegenüber der Armee nur nützen. Die Hutu-Rebellenbewegung CNDD hat schon angekündigt, sie mache ihre Einschätzung Buyoyas vom Inhalt des Berichts abhängig, und Verhandlungen in Aussicht gestellt. Dominic Johnson

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