Brot-Intifada in Jordaniens Städten

■ In Karak und Amman gingen Tausende gegen Erhöhung der Brotpreise auf die Straße. Die Regierung König Husseins hatte die Subventionen gestrichen, so wie der Internationale Währungsfonds das wollte

Amman (AFP/AP/rtr/taz) – Von einem Tag auf den anderen mehr als das Doppelte für Brot bezahlen – das war zuviel. Weil die jordanische Regierung in der vergangenen Woche den Preis für das subventionierte Grundnahrungsmittel auf umgerechnet 45 Pfennig pro Kilo anhob, kam es am Freitag in der südjordanischen Stadt Karak zu gewalttätigen Protesten.

Jordaniens König Hussein Ibn Talal machte als Anstifter der Demonstrationen und Unruhen „Anhänger der irakischen Baath-Partei“ aus, gegen die „mit eiserner Faust“ vorgegangen werden müsse. Am Wochenende griffen die Unruhen auch auf Amman über, die Hauptstadt des Haschemitischen Königreichs.

In der Nacht zu gestern kam es in Amman laut Augenzeugenberichten zu schweren Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei. Polizisten seien mit Pistolen beschossen worden. Auf der Suche nach Demonstranten hätten Polizisten und Militärs mehrere Häuser gestürmt. Die Zusammenstöße hielten auch gestern früh noch an. In den Straßen des Jofeh-Viertels patrouillierten schwerbewaffnete Polizisten.

Die Ausschreitungen begannen nach den Freitagsgebeten, die am Mittag in den Moscheen stattfanden. Kurz danach zogen in Karak rund tausend protestierende Menschen durch die Stadt. Die Polizei ging mit Tränengas gegen sie vor. In Ma'an, 250 Kilometer südlich von Amman, zündete eine Gruppe von mindestens 200 Demonstranten nach Angaben von zwei Augenzeugen vier Bankgebäude und eine Behördendienststelle an. Einer der Augenzeugen berichtete: „Die Protestierer bewerfen die Polizei mit Steinen und verbrennen Reifen in den Straßen.“ Unruhen wurden auch aus den Städten Masar und Tafila gemeldet. Einzelheiten darüber waren jedoch nicht bekannt.

Nach offiziellen Angaben wurden bei den Unruhen mehr als 300 Menschen festgenommen. Getötet worden sei jedoch niemand. In Karak kursieren dagegen Gerüchte, zwei Protestierende seien ums Leben gekommen.

König Hussein flog am Samstag in Begleitung hochrangiger Regierungsvertreter nach Karak. Jordanien habe die Wahl „zwischen Ordnung und Chaos“, erklärte er. Nach der Abreise des Königs kreisten Armeehubschrauber in geringer Höhe über der Stadt und trieben die Menschen mit Tränengas auseinander. Anschließend galt Ausgangssperre.

Anlaß für die Erhöhung der Brotpreise war eine Aufforderung des Internationalen Währungsfonds (IWF) an die jordanische Regierung, die Subventionen zu kürzen. Seit einer Wirtschaftskrise im Jahr 1989 kontrolliert der IWF die jordanische Wirtschaftsplanung.

Viele BewohnerInnen Jordaniens fürchten nun, daß die Streichung der Brotsubventionierung erst der Anfang einer weitreichenden staatlichen Kürzungsorgie ist. Bereits vor sieben Jahren war es aus ähnlichem Anlaß in Jordanien zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Damals hatte die Regierung die Benzinpreise drastisch erhöht. Im südjordanischen Ma'an begannen darauf Unruhen, die sich schnell auf das ganze Land ausweiteten. Damals war von einer „jordanischen Intifada“ die Rede – eine Anspielung auf die jordanische Bevölkerungsstruktur: Etwa 60 Prozent des etwa vier Millionen EinwohnerInnen zählenden Landes sind PalästinenserInnen. Der damalige Aufstand soll insgesamt zwölf Menschen das Leben gekostet haben.

Heute geht es der jordanischen Bevölkerung noch erheblich schlechter als 1989. Ein Drittel lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Preise sind in den letzten Monaten kontinuierlich gestiegen, die Löhne nicht. Nach Ansicht von Beobachtern in Amman könnte die Abschaffung der seit zwei Jahrzehnten bestehenden Brotsubventionen König Hussein ernsthaft in Bedrängnis bringen. taud

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