: An solchen Tagen
■ Der Karlsruher SC will heute im UIC-Finale gegen Standard Lüttich nicht nur einen UEFA-Cup-Platz ergattern - er muß
Karlruhe (taz) – An manchen Tagen, und solche sind im Wildpark zu Karlsruhe nicht eben selten, schwelgen Präsident und Trainer in Erinnerungen. Gemeinsam gehen Roland Schmider und Winfried Schäfer dann auf die Reise in die Vergangenheit und lassen vor dem geistigen Auge ein weiteres Mal aufmarschieren, wie prächtig sich ihr Karlsruher SC entwickelt hat, seit Schäfer Trainer wurde vor mittlerweile zehn Jahren. Wie aus der Fahrstuhlmannschaft eine feste Bundesligagröße geworden ist, wie sie wertvolle Spieler zum FC Ruhmreich nach München abgeben mußten, um finanziell überleben zu können, wie sie von diesem Geld die einstmals bescheidene Geschäftsstelle pompös ausbauen konnten, wie sie schließlich im UEFA-Cup ganz Europa in Angst und Schrecken versetzten und wie sie mit den vom vielen Erfolg vor Freude hüpfenden Herzen die Vision des KSC 2000 entwarfen und jenes Bild phantasierten, das Schmider, Schäfer und Mannschaft auf dem Karlsruher Rathausbalkon zeigt, die Meisterschale gen Himmel reckend.
An manchen Tagen, und solche sind im Wildpark zu Karlsruhe eher selten, fällt die Bilanz der guten Taten weniger großartig aus. Gewiß, der Präsident ist dann immer noch stolz, daß seine Mannchaft nun schon seit fünf Jahren beständig zu den besten acht Teams der Liga zählt. Doch klingt dann auch durch, daß man die vor etwas mehr als zwei Jahren gesteckten Ziele, als 14 Millionen Mark in die Mannschaft gebuttert wurden, eigentlich immer, wenn auch immer nur „um ä Härle“, verpaßt hat. Ganz so wie Ende der letzten Saison, als zunächst der UEFA-Cup- Platz, später dann auch noch der Pokalsieg auf der Zielgeraden vergeigt wurden.
Heute abend (18 Uhr, live im ZDF) haben die Karlsruher ihre für die nächste Zeit wohl letzte Chance, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Zum einen von drei UI-Cup-Finals kommt Standard Lüttich ins Badische, und für den KSC ist die Zielvorgabe klar definiert: Nach dem 0:1 im Hinspiel vor zwei Wochen müssen die Karlsruher einen Sieg mit zwei Toren Unterschied einfahren, um doch noch im UEFA-Cup mitkicken zu dürfen.
Doch das ist nur die eine, die sportliche Seite. Die andere spricht Schmider an, wenn er die Partie zwar nicht zum Schicksalsspiel, aber doch zu „einem richtungsweisenden Spiel“ erklärt. Wird gewonnen, kann der KSC weiter seinen Visionen nachgehen, wird verloren, „dann werden wir unsere Vereinsziele im Hinblick auf das Jahr 2000 neu definieren müssen“. Nicht daß das die Karlsruher komplett aus ihrer Umlaufbahn werfen würde, aber, so sieht das der Präsident, „verschiedene Projekte müßten dann langsamer angegangen werden“. Schon Mitte der zurückliegenden Runde drohte den Karlsruhern ein Saisondefizit von vier bis fünf Millionen Mark, das schließlich durch stark verbessertes Marketing – mit dem vor einem Jahr aus Kaiserslautern konvertierten Geschäftsführer Klaus Fuchs scheint dafür endlich der richtige Mann gefunden – und dem Transferüberschuß von rund zwei Millionen Mark gerade noch einmal abgewendet werden konnte.
Und schließlich gibt es in Karlsruhe noch Thomas Häßler, mit dem sich Schmider nicht zufällig erst nach der heutigen Partie zu Vertragsgesprächen treffen will. Längerfristig soll „Icke“, dessen Vertrag Ende der Saison abläuft, an Karlsruhe gebunden werden, am besten hier den heranbrechenden Herbst seiner Karriere verleben. „Wie diese Gespräche ausgehen werden“, sagt Schmider, „auch das hängt davon ab, wie wir gegen Lüttich spielen.“ Zum einen weil Häßler mehr als jeder andere in der Mannschaft international aktiv sein möchte, zum anderen weil er mit den möglichen Millioneneinnahmen besser zu finanzieren ist.
„Wir müssen alles daran setzen, um noch in den UEFA-Cup reinzurutschen“, sagt nicht nur deshalb Winfried Schäfer. Auch für den Trainer ist das Spiel gegen Lüttich eine weitere Chance, zu beweisen, daß er seiner Mannschaft sehr wohl vermitteln kann, wie man auch wichtige Spiele gewinnt. Zuletzt hatte Schäfer dabei wenig Fortune. Frank Ketterer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen