: Generalangriff auf Redaktionen
■ Vier Bremer Medien und Wohnungen durchsucht – siehe auch Seite 1 und 2
Gestern morgen hat die Bremer Staatsanwaltschaft mit tatkräftiger Unterstützung von rund 40 PolizistInnen gleich vier Redaktionen und drei Privatwohnungen von Bremer Journalisten durchsucht. Hintergrund für die Großaktion gegen Buten&Binnen, Weser Kurier/Bremer Nachrichten, Weser Report und taz war die „Affäre Hoffmann“. Die Staatsanwaltschaft suchte den vertraulichen Bericht des Landesrechnungshofes über die Überziehung des Bildungshaushaltes in der Amtszeit des jetzigen Chefs der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann, als Bildungs-Staatsrat. Die „undichte Stelle“ im Öffentlichen Dienst soll per kriminaltechnischer Untersuchung ausgemacht werden. Zweimal wurde die Polizei fündig: beim Weser Report und bei Buten&Binnen.
Bei der taz wurden nicht nur sämliche Redaktions-Arbeitsplätze, sondern auch die Büros des Verlages durchwühlt. Besonders aufgeregt waren die Beamten, als sie im taz-Archiv des Ordners „Rechnungshof“ habhaft wurden. Darin: die offiziellen Berichte der obersten Bremer Prüfer aus den letzten beiden Jahren, nur nicht der gesuchte Bericht. Daraufhin wurde auf eine Verhaftung der Papiere verzichtet. Ungemütlich wurde es zwischen Redaktion und Polizei wegen ungeklärter Lichtbildfragen. Einerseits mochten die Staatskräfte bei ihrer Arbeit lieber nicht fotografiert werden (ganz im Gegensatz zu denen beim Weser Report und bei Buten&Binnen), dafür wollten sie aber sehr gerne selbst in der taz knipsen, was zu einem kleineren Raufhändel mit Redakteuren führte. Am Nachmittag gab die Staatsanwaltschaft den selbstgeschossenen Film unter Entschuldigungsbekundungen wieder heraus.
Buten&Binnen wurde die Ehre zuteil, vom staatsanwaltschaftlichen Vormann der Aktion besucht zu werden: Uwe Picard, Nachfolger von Hans-Georg von Bock und Polach als Polit-Staatsanwalt, gegenüber den FernsehjournalistInnen nervös bis reizbar. Gute eineinhalb Stunden war die Polizei zu Gast beim Fernsehen, bis sie am Ende den Rechnungshofbericht auf dem Schreibtisch der Redakteurin Susanne Brahms ortete und ein Beamter fröhlich ins Hansawellen-Mikro flötete: „Sie hat ihn uns überreicht.“ Worauf aus dem Hintergrund ein bestimmtes „Habe ich nicht!“ zu hören war.
Der Fund ersparte der Kollegin einen polizeilichen Hausbesuch. Den mußten Axel Schuller vom Weser Kurier, der Weser-Report-Chefredakteur Ronald K. Famulla und Dirk Asendorpf von der taz über sich ergehen lassen. Famulla wurde vom Staatsanwalt sogar unter der Dusche weggeholt. Genützt hat es der Polizei nichts. Zum zweiten und letzten Mal fündig wurde sie an diesem Vormittag in der Redaktion des Weser Report. Auch da lag ein Bericht griffbereit.
Justizsenator Henning Scherf mochte sich zum Vorgehen seiner Untergebenen nicht äußern. Dafür gab es Kritik nicht nur von Grünen und AfB, sondern auch vom Koalitionspartner. „Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ sei „nicht gegeben“, monierte Frank Lutz, justizpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Heftig protestiert hatten sowieso die Landespressekonferenz, die IG Medien, der Deutsche Journalisten-Verband, der Presserat und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. J.G.
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