Blut und Spiele

■ Platzwunden statt Previews: Das Fantasy Filmfest feiert seinen 10. Geburtstag mit wüstem Splatter, lärmenden Trash-Raritäten und Überraschungen aus Spanien

Immer wieder geprügelt und getreten, als schnöder Sequel-Aufguß oder schmuddeliges B-Movie-Filmchen verschrien, gar als Braindead-Patient zu Grabe getragen – der Splatterfilm ist nicht toter als seine Untoten. Auf dem 10. Fantasy Filmfest, das am kommenden Mittwoch eröffnet wird, scheint er wieder zu zucken, seine farbenprächtigen Leichen aus dem Keller zu holen und zum fröhlichen Gemetzel zu blasen, bevor grausame Zensurschnitte ihm dann irgendwann selbst zu Leibe rücken.

Diesmal gibt es erfreulicherweise weniger Previews US-amerikanischer Produktionen, aber viele Premieren von Trash- und Low- Budget-Raritäten. Einer der Höhepunkte wird wohl die Aufführung des neuen Clive-Barker-Thrillers Lord Of Illusions sein – eine Art „David Copperfield from Hell“- und zwar im exklusiven Director's Cut. Einen weiteren haben die Veranstalter gleich als Auftakt gesetzt: El Día De La Bestia. Eine wüste Geschichte, in der ein frisch geschlüpfter Antichrist gründlich mit dem Establishment aufräumt.

Regisseur Alex de la Iglesia (Action Mutante) nutzt das Genre nicht nur als Persiflage auf die Mythen des eigenen Mediums, sondern entdeckt seine subversive Kraft, eigentlich ein Markenzeichen der 70er Jahre-Poduktionen, noch einmal neu. Und wenn ein Kirchenmann aus reinem Opportunismus mit den Mächten der Finsternis paktiert, schließlich in Yuppie-Gestalt ein neues Hobby im willkürlichen Anzünden von Bettlern findet, ist das nicht nur pikant sondern schlicht ein unmißverständlich antikatholisches Statement.

Ebenfalls aus Spanien: Tesis, ein Psychokrimi, mit Anleihen bei Stumme Zeugin. Eine ganze Film-Fakultät bereichert sich an selbstproduzierten Snuff-Produktionen. Den Geschäften mit Richtigtoten kommt eine zart sadomaso-geneigte Studentin auf die Schliche, nachdem sie die ein oder andere Kollegin schon lange nicht mehr in der Mensa gesehen hat.

Neben den spanischen Produktionen verdienen vor allem skandinavische Filme wie Backstabbed und Evil Ed besondere Beachtung. Auffallend auch die hohe Anzahl japanischer Beiträge. Von animierten Hardcore-Mangas wie Wicked City und dem Techno-Actioner Ghost In The Shell bis zu traditionsbewußten Schwertkämpfer-Epen wie Gonin und Crying Freeman.

The Bride With The White Hair II entspricht ungefähr dem Handlungssud, der übrig bleibt, wenn man einer Freundin aufgeregt den letzten Kinobesuch eines Hong-kong-Spektakels referiert. Der Film, in dem wild mit Schwertern und bösen Flüchen herumgefuchtelt wird, erzählt mit ungebrochenem Mut zum Kitsch die Geschichte einer weißhaarigen Hexe und ihres Amazonenheers. Auf der Leinwand wird ein Höllenlärm veranstaltet, als gebe es für die wackeren Kriegerinnen nur noch diese eine Gelegenheit, ihre Lanze wahlweise für das Gute oder für das Abseitige zu brechen.

Anders als bei bekannten Hongkonger Bilderstürmen läßt das Regie-Duo David Wu und Ronny Yu hier alle Artistik mit penetranter Slow-Motion und in hundertfach geschnittenen Szenen wie einen Fake aussehen. Dafür gibt es weniger von diesen sonst so wichtigen, stets dummerweise verschollenen Pergamentrollen. Und die Amazonen, die aus Liebeskummer dem anderen Geschlecht den Krieg erklären, erweisen sich als strategisch ausgeklügelter als die männliche Helden-Garnison. Schließlich können die wehrhaften Frauen nur recht unsportlich mit Dynamit aus der Welt gebombt werden.

Vielversprechend und abseits von aller Produktionshysterie im fernen Hongkong (und strenggenommen auch vom Fantasy-Genre) steht Wong Kar-Wais Fallen Angels. Immerhin konnte er mit Chungking Express nicht nur Quentin Tarantino dreimal während der Vorstellung zu Tränen rühren, sondern sich auch hierzulande eine kleine, aber treue Fangemeinde sichern. Wieder ist Hongkong der Hintergrund, vor dem Wong Kar-Wai die Leidensgeschichten seiner tragigkomischen Gestalten entfaltet.

Umrahmt wird das 96er-Programm von einer Retrospektive in eigener Sache, den „Greatest Hits“. Von Little Shop Of Horror bis zum vorläufig endgültigen Splatter aller Splatterfilme – Braindead. Eine Rückschau, die zeigt, daß die Veranstalter Rainer Stefan und Schorsch Müller von „Rosebud Entertainment“ und Hans-Peter Jansen (Fama) nicht fies vor blankem Trash sind und auch keine Berührungsängste mit zu höheren Ehren gekommenen Publikumslieblingen haben. Birgit Glombitza

Mi, 28. August bis 4. September, Metropolis, Streit's, Fama