: Die denkmalschützende Kraft der Abrißbirne
■ Bahn AG läßt vorsorglich historische Lokschuppen am Högerdamm abreißen
Eine „sofortige Unterschutzstellung wegen Gefahr im Verzug“ hat Professor Manfred Fischer, Leiter des Denkmalschutzamtes, gestern über das Bahnbetriebswerk Hamburg-Hauptbahnhof am Högerdamm verhängt. Die Denkmalschützer kamen gestern jedoch ein wenig zu spät auf dem Gelände am Klostertor an, um sich vor die Jahrhundertwende-Backsteinbauten zu stellen – das Abrißkommando hatte schon ganze Arbeit geleistet. Von den Gebäuden war nur r noch ein Schuppen übrig.
In den vergangenen Jahren hatten die Lok- und Lagerhallen zum Teil leergestanden, zum Teil waren sie an Musikgruppen und einen Fahrradbastler vermietet worden. Vergangenen Sommer wurden in dem Industriebrachen-Idyll neben der alten Diesellok-Tankstelle zwischen Rosenbüschen und streunenden Katzen noch Parties gefeiert.
Empört sei er, erzählt Fischer, denn die Bahn AG, der das gesamte Gelände gehört, habe gewußt, daß das „Ensemble“ unter Denkmalschutz gestellt werden sollte. Nun habe die Bahn AG es vorgezogen, ihn „vor vollendete Tatsachen“ zu stellen. Denn der Denkmalschutz habe prüfen sollen, welche Gebäude auf der zukünftigen Transrapidtrasse er denn interessant finde, und habe die Bahn AG im Frühjahr auf den Högerdamm hingewiesen. Eigentlich hätten dann Gespräche über das Schicksal der Bauten stattfinden müssen. Die Bahn habe zu seiner Empfehlung nun „ihre Meinung mit der Abrißbirne kundgetan“, ärgert sich Fischer. Aber den letzten der Schuppen hoffe er nun noch bewahren zu können. „Da wird jetzt eine normale Anhörung zu stattfinden.“
Bei der Bahn AG und dem für die Abrißgenehmigung zuständigen Eisenbahnbundesamt waren gestern wegen Gleitzeit und Sonnenschein, so die Auskunft eines Mitarbeiters, die zuständigen Stellen nicht besetzt. Manfred Wächter, Bahn-Pressesprecher, wußte nichts vom Denkmalschutzinteresse: „Die Gebäude waren baufällig, deshalb mußten sie abgerissen werden.“
Petra Bäuerle, Pressesprecherin der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), bestätigt, daß das Amt für Arbeitsschutz die Lager- und Lokschuppen für einsturzgefährdet erklärt hätte; die Abrißgenehmigung sei jedoch nicht Sache der BAGS. Auch der Bauprüfer vom Bezirk Mitte, Werner Koch, zuckt die Schultern: „Die Bahn hat auf ihrem Gelände Planungs- und Genehmigungshoheit; der Bezirk hat keine Möglichkeit, da etwas zu verhindern.“
Ulrike Winkelmann
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