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Staatlich geforderte Billiglöhne

Die Stadt drückt Preis für neue Bettenhäuser St. Georg: Nun will Baufirma Subunternehmen engagieren und 54 Arbeiter entlassen  ■ Von Silke Mertins

54 Hamburger Bauarbeiter müßten leider entlassen werden, teilte die Geschäftsleitung der Baufirma Dyckhoff und Widmann AG (DYWIDAG) dem Betriebsrat mit. Begründung: Die Auftragslage sei schlecht und der öffentliche Bauauftrag für die Bettenhäuser des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg so knapp kalkuliert, daß nur mit untertariflich zahlenden ausländischen Subunternehmen wirtschaftlich gebaut werden könnte.

Der empörte Betriebsrat wandte sich mit einem Protestbrief an den Ersten Bürgermeister, die IG Bau an den hauptberuflichen Mahner gegen Dumping- und Billiglöhne, Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos).

„Es ist nicht zu verstehen“, so DYWIDAG-Betriebsrat Hartmut Schloß, daß der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) solange nachverhandelte, bis das 40-Millionen-Projekt nur noch mit Dumpinglöhnen gebaut werden könne. Nicht nachvollziehbar auch deshalb, weil ausgerechnet Arbeits- und Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) Vorsitzende der lohndrückenden Verhandlungsführerin LBK ist.

Den Zuschlag für den öffentlichen Auftrag bekam das Bauunternehmen DYWIDAG, weil es das günstigste Angebot gemacht hat. Doch das war dem LBK nicht billig genug: In Nachverhandlungen sollte der Preis noch einmal um 300.000 Mark gedrückt werden. Ein niedrigeres Angebot kam, allerdings mit dem Hinweis, daß dann nur mit englischen oder polnischen Billiglöhnern in Form von Subunternehmen gearbeitet werden könne. Widerspruch von seiten der LBK wurde nicht eingelegt.

Der Landesbetrieb Krankenhäuser sei gesetzlich verpflichtet, so Sprecher Siegmar Eligehausen, Bauprojekte „für den Steuerzahler so preisgünstig wie möglich“ zu realisieren. Einen Zusammenhang zwischen den Kündigungen bei DYWIDAG und dem Neubau für 150 Betten und einer Tagesklinik hält er für „unsinnig“. Wie das Unternehmen den Auftrag umsetze, sei eine firmeninterne Angelegenheit. Es sei „abwegig“, den Bettenhaus-Bau in Zusammenhang mit „betriebsbedingten Kündigungen“ einer Firma zu bringen, „die jährlich Milliardenumsätze verbucht.“

Die LBK hätte sich „völlig korrekt“ verhalten, will auch Wirtschaftsbehördensprecher Rainer Erbe hervorheben. Es sei „logisch“, daß auch staatliche Unternehmen in Zeiten knapper Kassen die Preise so niedrig wie möglich halten wollen. Schließlich seien auch sie gehalten, „wie ein normaler Betrieb zu wirtschaften“. Nur „führt dies zu beschäftigungspolitisch unerwünschten Ergebnissen“. Jetzt müsse nachgedacht werden „wie man das vermeiden kann“.

Auf die Unvereinbarkeit staatlicher Wirtschafts- und Finanzpolitik – einerseits öffentliche Aufträge an die billigsten Anbieter vergeben zu müssen, und andererseits Arbeitsplätze und Tariflöhne zu sichern – hat bisher nur Bayern reagiert. Während es dort bereits eine Klausel für öffentliche Aufträge gibt, die die Vergabe an die Zahlung von Tariflöhnen bindet, hat sich in der Hamburger Wirtschaftsbehörde immerhin schon eine Arbeitsgruppe zum Thema gebildet.

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