: Gen-Food kommt für alle auf den Tisch
Die erste große Ernte genmanipulierter Sojabohnen wird in diesem Herbst in den USA eingebracht. Im November kommt die manipulierte Frucht in Deutschland an, bald darauf läßt sie sich im Einkaufskorb kaum mehr vermeiden ■ Von Wolfgang Löhr
„Wenn jemand sagt, ich möchte das aus grundsätzlichen Erwägungen nicht, dem kann ich auch nicht helfen.“ Für Helmut Wagner, Pressemann beim US-Chemie- Multi Monsanto, ist die Sache klar. Ab November wird es für die europäischen VerbraucherInnen so gut wie keine Chance mehr geben, der Gentechnik in Lebensmitteln auszuweichen.
Im November werden im Rotterdamer und Hamburger Hafen nämlich die ersten Schiffsladungen mit genmanipulierten Sojabohnen aus dem Hause Monsanto erwartet. Ohne Kennzeichnung und vermischt mit konventionellen Sojabohnen, werden sie in den europäischen Ölmühlen zu Viehfutter und einer Vielzahl von Lebensmittelzutaten und -grundstoffen weiterverarbeitet: Speiseöl und -fett, Eiweißkonzentrate, Sojamehl und Sojaflocken. Auf 20.000 bis 30.000 schätzt die Bonner Verbraucher- Initiative „die Zahl der Produkte, die direkt oder indirekt Sojabestandteile enthalten“.
Gen-Soja könnte sich in 20.000 Produkten finden
Geht es nach Monsanto, so sind die Lieferungen im November erst der Anfang. Derzeit wachsen die mit Hilfe der Gentechnik gegen das hauseigene Pflanzengift Roundup resistent gemachten Sojabohnen nur in den USA. Doch auch in Argentinien hat Monsanto jetzt erste Freilandexperimente mit seinen Sojabohnen durchgeführt.
65 Millionen Tonnen Sojabohnen werden jährlich in den USA geerntet, mehr als die Hälfte der Weltproduktion. Etwa 9 Millionen Tonnen exportieren die US-Farmer in die EU. Mit „zunächst ein bis zwei Prozent gibt Monsanto den Anteil der „Roundup Ready Soybeans“ am Ernteaufkommen in den USA an. Schon in den großen Erfassungssilos nahe den Feldern werden die veränderten Sojabohnen mit den herkömmlichen vermischt, erklärt Arnold von Wissel vom Vorstand der Ölmühle Hamburg, der größte deutsche Sojaverarbeiter. Eine Trennung und Kennzeichnung ist sowohl in den USA als auch in der EU nicht vorgeschrieben. Sie sei auch „nicht realisierbar“, meint von Wissel, weil „unwirtschaftlich“.
Der Verband Deutscher Ölmühlen ging schon vor Wochen in die Offensive. Jetzt, nachdem die Gentech-Bohnen nicht mehr aufzuhalten sind, will er die KundInnen informieren – wohl wissend, daß bald fast jedes dritte Nahrungsmittel ein Produkt aus dem Gentech-Soja enthalten könnte. Ein Kaufboykott, der bei der Auseinandersetzung um das Gen- Food auf seiten der Kritiker immer unterschwellig zu hören war, ist bei dieser Vielzahl von Produkten so gut wie ausgeschlossen.
Als die EU-Kommission sich noch um die Einfuhrgenehmigung für die Monsanto-Bohnen stritt, setzten sich die Öhlmühlen für eine Erlaubnis und gegen eine Kennzeichnung ein. Sie hatten auch viel zu verlieren. Hätte sich die Kommission für eine Kennzeichnung der Gen-Bohnen ausgesprochen, würden die Sojabohnen vermutlich direkt in den USA verarbeitet werden. Die daraus hergestellten Produkte wären auf jeden Fall auch auf dem europäischen Markt handelsfähig gewesen. Nur den Ölmühlen wäre der Nachschub ausgegangen.
Auch Monsanto hat eine Informationskampagne in Deutschland gestartet. Die „Informationsstelle Sojabohne“ ist unter der Nummer 0180/512 1242 zu erreichen. Es meldet sich Konzernsprecher Wagner. Er gibt Auskunft rund um die Roundup-Ready-Sojabohnen. Auf die Frage, was er anwortet, wenn jemand der Gentech-Bohne aus dem Weg gehen möchte, gibt er den Tip: „Die Lebensmittel anschauen und gucken, ob irgendwo ein Hinweis auf Soja draufsteht, dann müssen Sie sie eben im Regal stehen lassen.“ Gesundheitliche Bedenken gegen das Mittel bestünden aber nicht. Wagner weiß sehr wohl, daß das Ausweichen nicht so einfach ist, oftmals ist auf den Produkten nicht aufgedruckt, daß sie Soja enthalten. Auch hinter der Bezeichnung „pflanzliche Fette“ kann sich Sojaöl verstecken.
Wo „pflanzliche Fette“ draufsteht, ist Sojaöl drin
Für Barbara Kamradt von Greenpeace bringt das „Gentech-Soja keine Vorteile für die Verbraucher, sie müssen aber das gesundheitliche Risiko tragen“. Denn ob die „neuartigen Lebensmittel tatsächlich harmlos sind, wird erst die Zukunft erweisen“. Nicht nur von den KritikerInnen der Gentechnik wird vor allem befürchtet, daß durch die Genmanipulation entstandene Fremdproteine zu Lebensmittelallergien führen können. Damit die Sojapflanzen durch das Besprühen mit Roundup nicht eingehen, ist ihnen ein Resistenz- Gen aus einem Bodenbakterium eingeschleust worden. Zwar sind die Sojabohnen von Monsanto in Fütterungsversuchen mit Tieren getestet worden. Auch sind Untersuchungen gemacht worden, ob die Gentech-Bohnen Allergien auslösen können, doch die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen ist fraglich. Dazu kommt, daß die Aussagekraft von Tests für Lebensmittelallergien nur sehr begrenzt ist.
Umweltgruppen wie der BUND, Greenpeace oder das Gen-ethische Netzwerk wehren sich insbesondere gegen die „Einführung von herbizidresistenten Pflanzen“. Mit ihnen, meint Kamradt, werde „der Einsatz der Giftspritze auf dem Acker festgeschrieben und sogar noch verstärkt“. Unabhängig von möglichen gesundheitlichen Folgen durch das Endprodukt müsse der Verbraucher das Recht haben, sich durch sein Kaufverhalten gegen eine derartige Entwicklung aussprechen zu können. Das könne nur mit einer vollständigen Kennzeichnung geschehen.
Monsanto glaubt nicht, daß noch etwas schiefgehen kann. Jetzt schon ist Roundup das meistverkaufte Herbizid weltweit. Von den über 13 Milliarden Mark, die der Chemie-Multi jährlich umsetzt, kommen etwa 17 Prozent aus dem Verkauf von Roundup. Jetzt will der Konzern 300 Millionen Mark investieren, um die Produktionsanlagen für Roundup auf den neuesten Stand zu bringen. Er hofft, daß mit dem Roundup- Ready-Saatgut auch das Pestizidgeschäft angekurbelt werden kann. Einen Strich durch die Rechnung könnte ihnen da nur die Konkurrenz machen: Die Hoechst-Schering-Tochter AgrEvo hat vor wenigen Wochen beim US-Landwirtschaftsministerium um die Erlaubnis zur Vermarktung ihrer eigenen genmanipulierten Sojabohnen nachgesucht. Sie sind gegen das hauseigene Pflanzengift Basta resistent.
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