■ Mit Ukraines Währung auf du und du: Karbowanzen-Plage
Presov (taz) – Zeitpunkt und Umstände lassen kaum Gutes ahnen. Nicht ein wirtschaftlicher Anlaß, sondern das fünfjährige Jubiläum der ukrainischen Unabhängigkeit soll den Termin für die Einführung der neuen ukrainischen Währung markieren. Gerüchten zufolge sollen am Dienstag, dem ersten Arbeitstag nach den Nationalfeiern, die neuen Griwen die alten Karbowanzen zum Kurs von 1:100.000 ablösen. Fast alle Details werden noch geheimgehalten. Die Karbowanze werde aber, so hieß es, neben der Griwna noch zwei Wochen gelten. In den letzten Tagen sackte der Karbowanzenkurs von 187.000 auf 220.000 pro US- Dollar ab: Offenbar wollen Karbowanzenbesitzer ihr Geld lieber zu einem schlechten Kurs in Devisen parken als von Obergrenzen für den Umtausch pro Kopf überrascht zu werden.
Dabei ist die Karbowanze die heruntergekommenste Währung in den Nachfolgestaaten der UdSSR. Kurz nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion als Übergangswährung eingeführt, begann mit dem Niedergang der ukrainischen Wirtschaft sogleich die Talfahrt der Karbowanzen: 1992 stieg die Inflationsrate auf 400 Prozent, 1993 auf 9.000 Prozent. War im Juni 1992 der Dollar noch für 200 Karbowanzen zu haben, kostete er im Dezember 1994 bereits 130.000. Zeitweilig finanzierte die Regierung mehr als ein Drittel ihres Haushaltes aus der Notenpresse.
Oft gilt das Abreißen der alten Wirtschaftsbeziehungen mit den anderen GUS-Republiken als Ursache der Krise. Aber auch der Agrarsektor, der Kohlebergbau und viele andere Sektoren der ukrainischen Volkswirtschaft sind in erster Linie Kapitalvernichter. Und erst seit zwei Jahren hat die Ukraine ein reformfreundliche politische Führung: Leonid Kutschma ist gemäßigter Marktwirtschaftler und wird vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt. Die IWF-Stabilisierungsprogramme sind von der ukrainischen Regierung im großen und ganzen gebilligt worden. Und bei einer für ukrainische Verhältnisse mikroskopischen Teuerungsrate von derzeit 0,1 Prozent monatlich scheint die Zeit für eine neue Währung reif.
Doch die Ukraine befindet sich noch immer im ökonomischen Niedergang. Der ist auch durch die rapide, vom IWF geforderte Sparpolitik der Regierung bedingt. Wie aber das Beispiel Polen mit seinem erfolgreichen Nowy Zloty zeigt, erhalten neue Währungen Vertrauen, wenn sie dem Aufschwung folgen. Kommt eine Währungsreform zu früh, schrumpft sie zum politischen Manöver. Dietmar Bartz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen