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Estland: Spannende Präsidentenwahl

■ Erster Wahlgang endet mit Debakel für den Amtsinhaber

Tallinn (taz) – Die Wahl eines neuen Präsidenten in Estland ist gestern im ersten Wahlgang gescheitert. Nur 45 Abgeordnete des Parlaments stimmten für Amtsinhaber Lennart Meri, dem damit 23 Stimmen an der notwendigen Zweidrittelmehrheit im 101köpfigen Riigikogu fehlten. Unerwartet erfolgreich schnitt dagegen der Gegenkandidat, Vizeparlamentspräsident Arnold Rüütel, ab.

Kommt es nicht noch zu einer Stimmenverschiebung zwischen den Parlamentsfraktionen im zweiten und dritten Wahlgang, die beide heute stattfinden, wird der Präsident im vierten Wahlgang von einem „Wahlgremium“ aus den Abgeordneten des Parlaments und 273 Kommunalpolitikern mit starken Rüütel-Sympathien bestimmt. Auf dem Land hat der Exvorsitzende der KP und jetzige Führer der Bauernpartei seine stärksten Bastionen.

Traut man der Gerüchtebörse, ist der Stimmenkauf bei Mitgliedern dieser Wahlversammlung bereits in vollem Gange. Aktuelle Quote: fünf Zusatzstimmen für einen der heißbegehrten Botschafterposten im Ausland. Passen würde dies zur Schlammschlacht in der Endphase des Wahlkampfs. Mag Lennart Meri im Ausland auch perfekt seine Rolle als intellektueller Boheme spielen, zu Hause pflegt er mit Haken und Ösen zu kämpfen. Rüütel wegen seiner kommunistischen Vergangenheit als unzuverlässig anzuprangern liegt natürlich nahe. Doch dieser schlug mit gleichen Waffen zurück: Nie haben Gerüchte verstummen wollen, Meri habe auf der Lohnliste des KGB gestanden und sei deshalb von Moskau erpreßbar. Rüütel rühmt sich offen seiner guten Kontakte zu Rußland und verspricht, mit dem mächtigen Nachbarn im Osten besser verhandeln zu können.

Doch spannend wird es noch. In jeder Phase der Wahl können neue KandidatInnen präsentiert werden. Was den Weg für einen Kompromißkandidaten öffnet, mit dem noch niemand rechnet. Reinhard Wolff

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