piwik no script img

„Verschimmelte Wände“

■ 50.000 Unterschriften für „Volksbegehren Bildung“ sind beisammen

Schulkinder lärmen auf einem überdimensionalen Tandem. Lehrer sammeln Spenden in Plastikdosen. Musiker trommeln auf improvisierten Instrumenten. Auch wenn sich nur ein paar Dutzend Aktivisten an der Demonstration für das „Volksbegehren Bildung“ beteiligten, der guten Stimmung tat das keinen Abbruch, gestern in der Bremer Innenstadt. Aus gutem Grund: Die erste Hürde ist geschafft. Rund 5.000 Unterschriften hat der Zentralelternbeirat gesammelt. Genug um einen Antrag auf Zulassung zum Volksbegehren beim Landeswahlleiter zu stellen.

„Für uns die letzte Möglichkeit, auf die katastrophale Bildungssituation in Bremen hinzuweisen“, glaubt Hans Joachim Ohm, Koordinator des Volksbegehrens. Weil die Situation so dramatisch sein soll, will der Elternbeirat gleich drei Gesetzentwürfe auf den Weg bringen. Im Schulraumgesetz werden Richtlinien zur Schaffung und Erhaltung von Schulraum festgelegt. Ein besonders drängendes Thema, meint Ohm. „Einige Klassenräume sind wegen Schimmel und Feuchtigkeit nicht mehr benutzbar“. Ein weiteres Problem sehen die Eltern und Lehrer in den steigenden Klassengrößen. Abhilfe soll hier das Schulunterrichtsversorgungsgesetz schaffen, das ebenfalls per Volksbegehren in Kraft treten soll. Doch all diese Pläne sind sinnlos, wenn sich Eltern den Schulbesuch ihrer Kinder nicht mehr leisten können. Obwohl die bremische Verfassung Lernmittelfreiheit für alle Schüler vorsieht, hat die Lernmittelfreiheit „eine selektive Funktion“, glaubt Margitta Schmidtke vom Vorstand des Zentralelternbeirates. Nicht alle Eltern seien noch in der Lage, ihre Schulbücher aus eigener Tasche zu zahlen. „Im Ergebnis stehen manche Schüler ohne Unterrichtsmaterialien da“, weiß die Funktionärin. Das Lernmittelfreiheitsgesetz soll genau definieren, was von den Eltern zu bezahlen ist und was nicht.

Doch nicht nur die ausreichende Anzahl von Unterschriften für den Zulassungsantrag stellt den Zentralelternbeirat zufrieden. Mittlerweile meldet sich Parteiprominenz zu Wort und unterstützt die Aktion. Der SPD-Landesvorstand hat sich kürzlich positiv zum Volksbegehren geäußert. Allen voran der Jugendpolitische Sprecher der SPD, Jürgen Maly. „Man hat in Bremen den Eindruck, als befände sich die Jugend und Bildungspolitik in der Opposition“, erklärte er gegenüber der taz. Auch Ex-Bildungssenator Horst von Hassel ging für die Gruppe in die Bütt und versteigerte auf dem Domshof ein Solidaritätsplakat. Genützt hat es wenig. Für 15 Mark fand das Poster einen Abnehmer. Gekostet hat es 60 DM.

bum

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen