Nachgefragt: Rote Karte für MüllsünderInnen
■ Restmüllsensoren für die Biotonne
Wer in Bremen Plastiktüten oder Gartenabfälle in die Biotonne schmeißt, kommt noch nicht einmal mit einem Schrecken davon: Nur eine Informationskampagne der Bremer Entsorgungsbetriebe in besonders betroffenen Stadtteilen soll Müllsünder zum Guten bekehren. Der hessische Landkreis Darmstadt-Dieburg jedoch greift längst zu härteren Mitteln. Denn wenn über die Hälfte der Biotonne aus nicht kompostierbarem Abfall besteht, muß dieser Restmüll jährlich für 350.000 Mark in der Darmstädter Müllverbrennungsanlage verbrannt werden. Der hessische Landkreis ist der einzige in Deutschland, der die Biotonne flächendeckend eingeführt und für die Kompostierung einen Eigenbetrieb eingesetzt hat. Wir sprachen mit Jürgen Kreis, dem kaufmännischen Leiter der „Kreiswerke“ über seine neue Biotonnen-Strategie.
taz: Auch Darmstadt hat mit Müllsündern zu kämpfen, aber Sie haben sich jetzt etwas ganz Besonderes einfallen lassen
Jürgen Kreis, kaufmännischer Leiter der Kreiswerke in Darmstadt: Wir haben am Anfang auch Pressekampagnen gestartet und die Leute aufgefordert, ein bißchen bewußter zu trennen. Aber das nutzte alles nichts. Wir sind dann auf eine Firma in Tübingen aufmerksam geworden, die dort einen Feldversuch durchgeführt hat. Das lief so ab: An dem Schüttloch des Müllfahrzeuges haben sie einen Metalldetektor angebracht. Dieser Detektor schlägt dann an, wenn Metallteile in der Biotonne drin sind. Wie eine Schleuse am Flughafen.
In Bremens Biotonnen wurden aber schon ganze Sträucher, tote Kaninchen und Rehe sowie Windeln gefunden.
Sowas kann man natürlich unmöglich aufspüren, Plastik ist auch nicht zu detektieren. Aber der Feldversuch belegt eindeutig, daß da, wo Metalle drin sind, auch noch weitere Störstoffe drin sind, wie zum Beispiel Küchenabfälle in Plastiktüten, und das ist bei uns das Hauptübel. Deshalb haben wir uns für diese Detektoren entschieden.
Ein Metallsünder ist also auch ein Plastik- oder Gartenabfallsünder.
So ungefähr. Das wurde in einer Studie der Uni Tübigen eindeutig bestätigt.
Was passiert jetzt mit der entlarvten Mülltonne?
Die Tonne bleibt einfach stehen, denn wir befinden uns mittlerweile schon in der roten Phase. Die Müllwerker heften eine sogenannte rote Karte an die Tonne. Darauf steht, daß die Tonne heute nicht geleert werden konnte, weil sie nicht kompostierfähige Stoffe enthält. Der Bürger kann dann entweder die Tonne selbst nachsortieren und stellt sie bei der nächsten Biotonnenabfuhr wieder hin. Wenn ihm das zu dreckig ist, kann er bei der Stadtverwaltung eine Banderole kaufen. Sie kostet bei einem 120 Liter-Gefäß 23 Mark und bei einem 240 Liter-Gefäß 46 Mark. Die heftet er an die Tonne und stellt sie zur normalen Müllabfuhr. Das ist dann die Strafe für die rote Karte.
Die gelbe und die grüne Karte gibt es bei Ihnen ja auch.
Ja. Die gab es in der Anfangsphase. Also da blieben noch keine Tonnen stehen. Auf dem grünen Zettel stand, daß die Biotonne auf Stoffe untersucht wurde und der Detektor nicht angeschlagen hat. Das war also ein Lob für die Leute. Dann gab es die gelbe Karte für Tonnen mit Störstoffen, eine Mahnung, daß die Tonne beim nächsten Mal stehenbleibt – genau wie beim Fußball mit einer gelben Karte.
Hat sich Ihre Investition gelohnt?
Wir haben ja bloß drei Müllfahrzeuge ausgerüstet, alle wären viel zu teuer gewesen. Insgesamt haben wir rund 150.000 Mark investiert. Doch andererseits müssen wir jährlich allen Restmüll für 350.000 Mark verbrennen. In einer Kleinstadt bei Darmstadt mit 25.000 Einwohnern haben wir zum Beispiel 600 Tonnen kontrolliert, davon haben 21 die rote Karte bekommen. Wenn wir so weitermachen, ist das ein guter Effekt. Doch die gute Öffentlichkeitsarbeit hat uns, glaube ich, am meisten geholfen.
Sie spielen also mit der Angst der Bürger, ihre Tonne könnte bei jeder Abfuhr unter den Detektor kommen.
Genau das ist uns von der Firma empfohlen worden. Der Bürger muß immer glauben: Meine Tonne wird morgen detektiert.
Fragen: Katja Ubben
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