■ Standbild: Naßforsche Lümmelei
Mit neuer Moderation: „Parlazzo“, Di., 20.15 Uhr, WDR
Nach Bettina Böttiger und Sabine Brandi moderiert nun Anne Will die Medienshow vom WDR-Fernsehen. Am Konzept hat sich nicht viel geändert. Die Gäste sind interessant und die Gespräche zu kurz, um es auch zu sein. RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma ist mit seiner aufrichtigen Infamität immer für eine deftige Bemerkung gut. Doch der Sendeplan gibt einen zu straffen Rahmen vor. Anne Will scheint zwar einigermaßen informiert zu sein, doch in der kurzen ihr zur Verfügung stehenden Gesprächszeit ist es kaum möglich, etwas Unvorhergesehenes entstehen zu lassen. Das gleicht galt für das Casdorff- Gespräch.
Interessante Beobachtungen zwischen den Zeilen ergaben sich beim Gespräch mit Bärbel Schäfer, einer unter ihrem Klarnamen talkenden Talkerin, die auch dann nicht den Mund hält, wenn man sie bittet, den Gesprächspartner ausreden zu lassen. Das Thema – gefakter Talkshow-Tourismus mit einem Gast der Berliner „Interfrosch“ – war interessant. Thomas Prunk vermittelt Talk-Gäste, die genau das erzählen, was bei Hans Meiser, Margarethe Schreinemakers und Co gefragt ist: bizarren Müll. Bärbel Schäfer hat eine noch nicht ausgestrahlte Sendung, in der Thomas Prunk gemüllt hat, und sollte sich nun im Gespräch rechtfertigen.
Schlampig und naßforsch lümmelte die Blonde auf dem Stuhl herum und quatschte, als gebe es keine Bosheit auf dieser Welt. Auf diese Weise füllte ihre Weiblichkeit das Format. Ganz anders wirkte dagegen die schüchtern- hübsche Anne Will, deren programmatische Aufrichtigkeit von ihrer Weiblichkeit nicht so telegen verpackt und in Szene gesetzt werden konnte. Es scheint so, daß in diesem dualen Systemvergleich ehrlich-investigative Frauen die Mediendynamik weniger für sich nutzen können als solche Authentizität simulierenden Moderatorinnen wie Bärbel Schäfer, die ihre cholerische Hysterie mit jeder noch so kleinen Geste zur Alleinaussage machen.
Ansonsten wirkte die gefällige Satire von „Parlazzo“ trotz guter Gags („2001 – Odyssee im Strafraum“) unterm Strich etwas abgestanden. Ich erfahre das immer von Thomas, der täglich fernsieht, mich morgens anruft und Bescheid gibt, wo er überall weggezappt hat. Ein System gemeinschaftlicher Fernsehüberwachung, das sich bewährt hat. Manfred Riepe
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