Wir haben uns verlaufen

■ Ottos "Kunst" und Georgs "Quatsch": Einblicke in das "Kommentarbuch zur Tonbandführung" der Georg-Baselitz-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie

Stilles Lächeln, Kopfnicken, suchende Blicke: Tonbandführungen sind schwer im Kommen – und für die Förderung des allgemeinen Kunstverständnisses offenbar ausgesprochen nützlich.

Eine namentlich nicht bekannte Besucherin der Baselitz-Ausstellung schreibt: „Das erste Mal, daß ich so was probiert habe, sehr hilfreich.“ Ein anderer hat in dem großen roten Buch, das dort ausliegt, wo die Walkmänner zurückgegeben werden können, folgenden Kommentar hinterlassen: „Eine gute Arbeit. Ohne sie wäre das Werk von B. kaum nachvollziehbar.“ Am Hörangebot der Nationalgalerie nichts auszusetzen hat auch der nächste Kunstfreund: „Hilfreich zur Orientierung! Vom Konkreten zum Hintergründigen. Danke.“

Doch manchmal scheint es auch nicht so gut gelaufen zu sein. „Kunsthistorisches Blabla“, beschwert sich ein Anonymus. Eine Leidgenossin urteilt: „Führung ist unmöglich – eine Numerierung wäre empfehlenswert.“ Und ein Dritter meint: „Viel zu lang.“

Andere halten die Bildinterpretationen für „gewagt“ oder gar „zu weit hergeholt“ und melden grundsätzliche Zweifel an: „Ob der Künstler das so gemeint hat?“ Die wenigsten sind so ungnädig wie „G. V.“: Die Kunst von Baselitz sei, glaubt der Hobby-Kritiker, ein „einziger Quatsch“. Darüber hinaus scheint es zeitweilig nicht unerhebliche technische Schwierigkeiten gegeben zu haben. Die elfjährige Katja faßt das Problem von seiner grundsätzlichen Seite – „Coole Ausstellung“ –, verliert dabei aber nicht den Sinn fürs Praktische: „schlappe Batterien.“ Der Hilfeschrei verhallt ungehört.

Auch Otto Sander, Sprecher der Führung, wird mit Bemerkungen bedacht: „Sehr schön vorgetragen. Der Gute versteht es halt, sein Handwerk“, stellt ein I. B. fest. Ein anderer Sander-Fan schwärmt: „Unvergeßliche Stimme.“ Dazwischen mischen sich ketzerische Töne: „Beim nächsten Mal vielleicht eine neue Stimme“, findet eine, die sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen mag: „Vielleicht sogar mal eine weibliche?!“

Günter E. sieht das alles von der sentimentalen Seite. „Da ich wenig von Malerei verstehe, hätte ich ohne die Begleitung des Tonbands zu wenig gefühlt.“ Konkret werden die wenigsten. Nur eine Kommentatorin ist ins Detail gegangen: „Ich empfinde den „roten Mann“ als rosa. Und so geht es mit vielen Beschreibungen, ich sehe offensichtlich Farben anders.“

Und was meint der Künstler selbst? Auf einer der ersten Seiten steht: „Ich habe mir die Füße breitgelaufen und kein einziges Werk gefunden. War aber toll. Euer G. Baselitz.“ Torsten Pannen/U.C.