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Der Barbier von Bebra (23)

■ Von Wiglaf Droste und Gerhard Henschel

Was bisher geschah: Der Bartmörder hat wieder zugeschlagen und die Puhdys fritiert

Fünf Sekunden brauchte der Volkskörper, um in Wallung zu geraten und sich aufzubäumen. Der Sänger Achim Menzel erinnerte sich der Brecht-Worte: „Du mußt die Führung übernehmen!“ Er erklomm die Bühne und shoutete: „Das war der Bartmörder, Freunde!“

Menzel sprach aus, was jeder einzelne spürte: Dieser Anschlag galt ihnen allen. Das Volk geriet in Raserei. Es war wie damals, als der Führer fiel.

„Völkermord!“ bläkte Menzel. „J'accuse!“ Der frischgebackene Opinion-Leader nutzte die Gunst der Stunde, um das ganze Spektrum seines rhetorischen Könnens zu zeigen: „Ich bin ein Berliner!“ schäumte es aus Menzel heraus. „Ich würde lieber wahnsinnig werden als Vegetarier! Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein! Und im übrigen bin ich der Meinung, daß Kathargo zerstört werden muß!“

Dummerweise purzelte er bei diesen Worten durch eine der offenen Luken und ging unter wie ein Puhdy. Wogen spritzenden Fettes schlugen über ihm zusammen.

Das war der berühmte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Kopflos hühnerten die Massen über den Alexanderplatz, ein Ejakulat aus Haß und Grauen. Menschen klammerten sich aneinander oder umarmten Bäume.

War es wieder soweit?

*

Gregor Gysi ärgerte sich grün und blau, daß er in diesem historischen Augenblick indisponiert war. Für einen Glanzauftritt als Schlachtenlenker der sich anbahnenden Revolte trug er nun wirklich die falsche Garderobe. Wütend warf er seine Federboa zu Boden und trampelte mit seinen Stöckelschuhen darauf herum. Er hätte ein Held der Arbeiterklasse werden können, doch er war dazu verdammt, als Wolluststöpsel von der Tuntenbühne in die Geschichte einzugehen.

Der PDS-Chef war mit seinem Latein am Ende. Sein hilfesuchender Blick fiel auf Sahra Wagenknecht, die mit einem Spachtel ihr Make-up nachzog und sich um den ganzen Radau nicht weiter kümmerte.

„Sahra! Die Revolution ist da, und ich bin scheiße angezogen! Aber du siehst dufte aus. Jetzt mußt du für unsere Sache auf die Barrikaden gehen!“

„Jaja, gleich“, sagte sie von oben herab, „meine Zofe hat die Abendbluse noch nicht gestärkt, du Sozialfaschist!“ Sie zückte einen Kajalstift und begann aufreizend lässig, sich zu bemalen.

Gysi fiel vor ihr auf die Knie, faltete die Hände und jankerte sie an: „Menno! Wenn wir jetzt die Macht ergreifen, mach' ich dich zur Königin! Und du darfst alle Sozis nach Bautzen schicken! Oder nach Sibirien!“

„Ach? Dich etwa auch?“

„Von mir aus auch das! Hauptsache, du kommst jetzt endlich aus dem Quark! Die Pflicht des Revolutionärs ist es, die Revolution zu machen!“

„Du hast es nötig, du Steigbügelhalter der Heterosexualität!“

Gysi wurde grau. „Das hat dir der Teufel gesagt! Das hat dir der Teufel gesagt!“ schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, daß es bis an den Leib hineinfuhr. Dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riß sich selbst mitten entzwei.

Ritschratsch!

*

Die einzige außer Sahra Wagenknecht, die im Tumult die Ruhe bewahrte, war Gisela Güzel. Just als die Puhdys in die Friteusen gefallen waren, hatte die Kommissarin in der Kuppel des Fernsehturms ein rotes Signallämpchen aufleuchten sehen. Ein Fernzünder – mit so was kannte sie sich aus.

Sie drängte sich, so schnell es ging, zum Tatort vor. Ein flüchtiger Blick auf die Frittenfalle bestätigte ihre Theorie: Der Täter hatte einen Potentiometer benutzt, um die Falltüren zu öffnen. Technisch war er offensichtlich auf dem neuesten Stand.

Fortsetzung folgt

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