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Koalition in Bremerhaven vor dem Aus?

■ Stadthallen-Privatisierung entzweit Koalitionäre / Bödeker droht mit Bruch der Koalition

Mit tosendem Applaus war die Bundestagsabgeordnete Ilse Janz (SPD) auf der Unterbezirksdelegiertenversammlung vor knapp einem Jahr in Bremerhaven belohnt worden, nachdem sie ihren GenossInnen in einer flammenden Rede die Große Koalition mit der CDU ans Herz gelegt hatte. Auch der damals frischgebackene SPD-Fraktionschef Jörg Schulz stimmte optimistisch für eine Große Koalition in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung. „Ich habe keine unüberwindbaren Hindernisse zwischen CDU und SPD feststellen können“, versicherte er seinen GenossInnen.

Doch die Hindernisse zwischen den Koalitionären werden immer deutlicher: Jetzt steht das rot-schwarze Bündnis kurz vor dem Bruch. Nach einem Streit über die Privatisierung der Stadthalle hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Teiser am Freitag wutschnaubend die Sitzung des Koalitionsausschusses verlassen (siehe taz 31.8). „Starke Mehrheiten sind zwar wichtig. Aber wenn sich die SPD nicht an die einfachsten Absprachen hält, ist die Koalition eben nicht zu halten“, sagte CDU-Fraktionschef Paul Bödeker am Wochenende gegenüber der taz.

Heute um 18 Uhr will die CDU beraten, „wie es weitergehen soll“, so Bödeker. Doch eins steht für den Christdemokraten jetzt schon fest. „Wenn die SPD sich nicht auf unsere Forderungen einläßt, kommen wir nicht an den Verhandlungstisch zurück.“ Die Sozialdemokraten denken allerdings nicht daran, sich unter Druck setzen zu lassen: „Wer den Verhandlungstisch verlassen hat, muß auch zurückkommen – und zwar ohne dies an Forderungen zu knüpfen“, entgegnet SPD-Fraktionschef Jörg Schulz.

Gestolpert waren die Koalitionäre über Punkt sieben der Tagesordnung des Koalitionsausschusses: Nach einer öffentlichen Ausschreibung hatte sich ein Bewerber aus Bremen als Betreiber für die Stadthalle beworben. Auch den geforderten Bonitätsnachweis über ein Stammkapital von 250.000 Mark hatte er nach Angaben der SPD nachgereicht. „Der ist doch nichts. Den können wir gleich vergessen“, soll Teiser dennoch abgewunken haben. Die SPD hingegen wollte dem Bewerber eine Chance geben. „Nach den spärlichen Angaben, die wir bisher haben, können wir beim besten Willen nicht entscheiden, ob der Bewerber nicht doch in Frage kommt“, gab SPD-Chef Schulz zu bedenken. Teiser stand auf und verließ den Raum. Die übrigen CDU-Mitglieder folgten ihm. Die Sitzung des Koalitionsausschusses war beendet.

„Laut Koalitionsvertrag soll die Stadthalle privatisiert werden, wenn die städtischen Zuschüsse wegfallen. Deshalb müssen die Bewerber genau geprüft werden. Die CDU hat den Koalitionsvertrag nicht genau gelesen“, sagt Schulz. Die Christdemokraten beharren hingegen darauf, die Stadthalle an die Nordsee-Zeitung und die Bremer Beck's Brauerei zu verpachten. „Wir können uns freuen, daß wir solch' tolle Bewerber haben“, so Bödeker. Wegen einiger Klauseln des Pachtvertrages war dieses Konsortium ins Kreuzfeuer der Kritik geraten (siehe taz 3.7.1995). Auch Bürgermeister und Stadtkämmerer Burghard Niederquell soll der Stadt in einer vertraulichen Vorlage zwischenzeitlich geraten haben, die Verhandlungen abzubrechen, weil sich dieses Betreibermodell für die Stadt nicht rechnen würde. Nordsee-Zeitung und Beck's Brauerei sollen ihr Angebot, die Stadthalle zu pachten, zwischenzeitlich sogar zurückgezogen haben. Doch davon wollte Teiser im Koalitionsausschuß nichts hören. „Er will sich offenbar auf die Bedingungen von Nordsee-Zeitung und Beck's einlassen, um das Konsortium wieder umzustimmen“, so die Einschätzung von Schulz.

„Man kann über alles verhandeln, und die Zusammenarbeit mit der CDU könnte durchaus klappen. Wir sind auch zur Weiterführung der Koalition bereit“, sagt er. „Aber das große Problem dieser Koalition ist Michael Teiser. Die CDU entscheidet nichts, ohne nicht vorher in Bonn angerufen zu haben. Und wenn Herr Teiser nicht da ist, bleibt alles liegen. „Teiser ist unser erster Mann, und der kann ruhig am Tisch sitzen“, entgegnet Bödeker. Von Teiser selbst war bis zum Redaktionsschluß keine Stellungnahme zu bekommen. Der Drohung, die Koalition könnte auseinanderbrechen, sieht SPD-Chef Schulz gelassen entgegen: „Hunde, die bellen, beißen nicht.“

kes

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