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■ NachschlagVerschlissene Bilderwelten: Kresniks „Sylvia Plath“ im Prater

Zu den wichtigsten Ereignissen eines Frauenlebens gehört, neben Geburt und Tod, unbedingt die Heirat. Selbstverständlich gilt das nicht für Männer, sehr wohl aber auch für die Frauen, die vom Brockhaus (Jahrgang 1992) einer Würdigung für wert befunden wurden. Schlägt man unter Plath, Sylvia, nach, so wird man über diese drei Lebensdaten der Schriftstellerin (mit Namen des Ehegatten und der Sonderinformation „Selbstmord“) im ersten Satz informiert. Bei Plaths Gatten, dem Lyriker Ted Hughes, hält der Brockhaus die Heirat für nicht erwähnenswert. Daß er eine Frau hatte, erfährt man nur, weil er „eine Lyrikanthologie für Schüler veröffentlicht sowie Gedichte seiner Frau Sylvia Plath ediert“ habe. So wird das Werk der Frau zur Fußnote im männlichen Schaffen degradiert.

Sexistisches hatte man auch bei Johann Kresnik befürchtet, dessen 1985 in Heidelberg uraufgeführtes Tanztheaterstück „Sylvia Plath“ derzeit im Prater der Volksbühne seine Wiederaufnahme erlebt. Aber überraschenderweise stilisiert Kresnik die Plath (wie damals: Amy Coleman) nicht als eine von Männern getretene und gequälte Leidensikone. Er verzichtet (fast ganz) auf seine mittlerweile zum Markenzeichen mutierten, penetrant-drastischen Ekelbilder. Statt dessen hat er einen Weg zu den Psychosen Plaths, Bilder für ihre übersensibilisierte Weltwahrnehmung gesucht. Vor elf Jahren wäre man begeistert, wahrscheinlich ergriffen gewesen.

Heute wirkt das Stück vom Ansatz her sympathisch, aber gleichzeitig merkwürdig verstaubt, veraltet. Wenn die Tänzer Herd und Schreibtisch, Schrank, Schreibmaschine und die Dichterin selbst auf langen Stangen über die Bühne tragen, so sind es nicht nur die hölzern-verkrampften Bewegungen der Tänzer, die stören: Die Kresnikschen Bilderwelten haben sich verschlissen. Nach unzähligen Wiederholungen wirkt auch das ehemals Meisterhafte nicht mehr.

Wie wenig der Choreograph, der eher Bilder inszeniert, sich für Körper interessiert, wird bei den Schlagereinlagen der Tänzer deutlich: Ein solches Gejaule kann sich heute keine drittklassige Off- Gruppe leisten. Der Zusammenhang von Stimme und Bewegung ist Kresniks Kompanie unbekannt. Überhaupt ist alles gestoppelt, nur für kurze Momente lebendig und mit eindreiviertel Stunden Aufführungsdauer eindeutig zu lang geraten. Michaela Schlagenwerth

3. und 4.9., Prater, Kastanienallee 7/9

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