Luftsteuer, Schwarzraucher und Moral Von Mathias Bröckers

In einer meiner Lieblingsgeschichten von Carl Barks erfindet Onkel Dagobert zum Zwecke der Geldvermehrung die allgemeine Luftsteuer. Nach einem festgelegten Tarif – „Jeder Seufzer einen Kreuzer“ – soll in Entenhausen das Atmen besteuert werden. Natürlich haut das so nicht hin, doch die Idee an sich ist bestechend: Atmen muß schließlich jede(r), und Steuerflüchtlingen bleibt als Oase nur das Vakuum. So einfach hinter die Grenze ziehen, wie Frau Schreinemakers oder wie Papa Graf die Dukaten in Plastikbeuteln außer Landes schaffen, wäre in diesem luftbesteuerten Entenuniversum nicht drin. Und hätte Onkel Dagobert noch einen Kassenwart Theo, würde dieser sicher gleich auch noch die Augenbrauensteuer erfinden: Wer angesichts der Luftsteuer wagt, die Augenbrauen zu runzeln, zahlt doppelt!

Im wirklichen Steuerleben geht es zwar etwas anders zu – doch die Figuren und Geschichten, anhand derer die aktuellen Debatten ausgetragen werden, haben durchaus comicmäßiges Kaliber. Einen versoffenen Finsterling, der mit legaler Kinderschändung seine Tochter zum Weltstar züchtet und die Zuhältermillionen unter den Augen eines sportbegeisterten Finanzministers beiseite schafft, kann man nicht erfinden. Genauso wenig wie eine Heul- und Heuchelprofessionelle, die auf dem TV- Strich Millionen scheffelt und nun ausgerechnet als Paradebeispiel für Steuerehrlichkeit herhalten soll. Oder die Groteske, mit der in Berlin Steuergerechtigkeit durch einen großangelegten Kampf gegen die „Zigarettenmafia“ hergestellt werden soll: Demnächst, so hat die Entenhausener Hauptstadtpolizei gerade verkündet, soll Autofahrern, die im Stau mal schnell eine Stange Billigkippen bei den vietnamesischen „Panzerknackern“ erstehen, das Tatwerkzeug samt Führerschein entzogen werden! Zwar hängen am staatlichen Tabakmonopol stattliche Millionen, doch verglichen mit den eigentlichen Steuerausfällen sind die Schäden durch die Süchtigen, die unverzollten Stoff inhalieren, echte Peanuts. Auf die Idee, Wirtschaftskriminellen, Vereinigungsbetrügern und Subventionsschwindlern ihre Limousinen samt Telefon zu beschlagnahmen, weil sie damit Milliarden ergaunern, muß man ja auch erst mal kommen. Bis dahin bleibt in Sachen Steuergerechtigkeit nur noch die Frage, ob überführte Schwarzraucher gegen eine Kaution von fünf Schachteln Marlboro wenigstens auf freie Fahrt gesetzt werden können – oder ob ihnen die Staatsgewalt eins hustet.

So wie empörte Steuerbetrüger der „unglaubwürdigen“ Schreinemakers und dem „betrügerischen“ Vater Graf jetzt eins husten – da werden uns die penetrante Quotenqueen und der fiese Gebrauchtwagenhändler fast schon wieder sympathisch. Denn natürlich würden 95 Prozent der Biedermänner, die entrüstet mit dem Finger auf die ertappten Steuersünder zeigen, es exakt genauso machen. Die einzige Ungerechtigkeit ist, daß sie in Sachen Steuern allenfalls beim Kilometergeld ein bißchen schmummeln können und sich dafür ein Umzug ins Ausland oder die Gründung steuermindernder Briefkastenfirmen nicht lohnt. Mit Moral hat das massenhafte Outing als Waigel-Fan nichts zu tun – selten wurde soviel gelogen wie bei der „ehrlichen“ Entrüstung über promimente Steuerhinterzieher.