Das Portrait
: Der Ogoni-Anwalt

■ Olisa Abgakoba

Er wird selbst nicht kommen können: Nigerias Regierung hat ihm den Paß entzogen. Aber trotzdem erhält Olisa Abgakoba, einst Rechtsanwalt des ermordeten Ken Saro-Wiwa, heute in Abwesenheit den Aachener Friedenspreis. Der 43jährige Abgakoba ist einer der vielen regimekritischen Nigerianer, deren Schicksal immer gerade unter jener Schwelle des Grauens bleibt, die internationales Aufsehen erregt.

Abgakoba studierte Jura in Nigeria und Großbritannien. Während der letzten Zivilherrschaft in Nigeria zu Beginn der achtziger Jahre war er Dozent, unter anderem an einer Militärhochschule. 1987 gründete er die Menschenrechtsorganisation „Civil Liberties Organisation“. Danach arbeitete er an Projekten, die es ermöglichen sollten, irgendwann in Nigeria einen Rechtsstaat zu schaffen – zum Beispiel die Übersetzung englischsprachiger Gesetzestexte in afrikanische Sprachen. Denn für Abgakoba hat Menschenrechtsarbeit nicht nur mit dem Handeln des Staates zu tun, sondern auch mit den Strukturen der Gesellschaft. „Das traditionelle Afrika geht mit Bürgerrechten nicht zusammen“, sagte er 1993 in einem Interview. „Bei uns sitzt ein Mann über allem. Sein Wort ist Gesetz. Der Mann beherrscht die Familie. Seine Frau und Kinder können sich nicht widersetzen. Wenn man das weiterdenkt, folgt, daß auch das Wort des Staatsoberhauptes Gesetz ist. Wer sich widersetzt, gilt als Außenseiter.“

1995 übernahm Olisa Abgakoba zusammen mit Gani Fawehinmi die Verteidigung Ken Saro-Wiwas und seiner acht Mitangeklagten vor dem Sondertribunal von Port Harcourt. Die Todesurteile konnte er nicht verhindern. Als er im November 1995 nach Neuseeland zur Commonwealth-Gipfelkonferenz reiste, wurden die neun Angeklagten in seiner Abwesenheit erhängt. Nach seiner Rückkehr wurde sein Paß beschlagnahmt, er wurde auch kurzzeitig verhaftet.

Sein Leben spiegelt den Niedergang seines Landes. Aber für ihn war nicht alles vergebens. Er stelle sich „gegen den zwingenden Pessimismus des Tages“, sagte er, als er 1995 die Führung seiner Organisation abgab. „Nicht Handelsbilanz oder Prokopfeinkommen werden in Zukunft der Gradmesser eines Regimes sein, sondern die Menschenrechte.“ Dominic Johnson