Der Retter wurde zur Belastung: Benedetti tritt als Olivetti-Chef ab

■ Der Elektronikkonzern schreibt seit Jahren rote Zahlen. Die Börse dankte mit einem Kurssprung

Mailand (AP/rtr/taz) – Der Chef des italienischen Elektronik- und Büromaschinenkonzerns Olivetti, Carlo De Benedetti, ist am Dienstag abend nach 18 Jahren Amtszeit zurückgetreten. Zur Freude der Wirtschaft: Ein Kurssprung von fast zwölf Prozent bei den Olivetti-Aktien war gestern zu Handelsbeginn an der Mailänder Börse Indiz für die Erleichterung nach dem Rücktritt des Konzernchefs. Olivetti verbuchte seit fünf Jahren ununterbrochen Verluste und mußte seit sechs Jahren Mittel für Umstrukturierungsmaßnahmen bereitstellen. Im ersten Halbjahr 1996 schrieb das Unternehmen einen Verlust von 440,2 Milliarden Lire (430,9 Millionen Mark). „Ich hatte angemessene Schritte angekündigt, falls Olivetti im Laufe dieses Jahres keine Gewinne erzielen sollte“, sagte De Benedetti. Sein Nachfolger ist das Verwaltungsratsmitglied Antonio Tesoni, ein Jurist.

De Benedetti, in der Finanzwelt als „der Ingenieur“ bekannt, hatte Olivetti 1978 übernommen, damals ein maroder, auf den Bankrott zusteuernder Schreibmaschinenhersteller. Der neue Chef setzte auf automatische Büromaschinen und Heimcomputer – zunächst erfolgreich. Als der PC-Bereich dauerhafte Verluste schrieb, stieg De Benedetti ins Mobilfunkgeschäft ein. Doch den Turnaround schaffte er damit nicht.

Man rechnet nunmehr damit, daß Olivetti die PC-Herstellung aufgeben wird, ein Bereich, in dem der frühere Schreibmaschinenhersteller kein Bein auf den Boden brachte. In einer nach einer Vorstandssitzung am Dienstag herausgegebenen Erklärung hieß es, Olivetti werde die Verringerung seiner Präsenz im Hardwaresektor beschleunigen. Der Vorstand kam überein, 200 Milliarden Lire (1,8 Milliarden Mark) für die anfallenden Kosten bereitzustellen – ein weiterer Aderlaß nach dem im ersten Halbjahr verbuchten Verlust von 440,2 Milliarden Lire (knapp vier Milliarden Mark) vor Steuern.

De Benedetti gab auch seinen Sitz im Verwaltungsrat auf. Dennoch wird er weiter Einfluß nehmen können, da sich 14,5 Prozent der Aktien indirekt in seinem Besitz befinden. Sein persönliches Schicksal ist jedoch ungewiß. Seine Karriere war geprägt nicht nur von wirtschaftlichen Erfolgen, sondern auch von Korruptionsskandalen. Sein Name tauchte bei Ermittlungen im Rahmen der Aktion „Saubere Hände“ auf, und 1994 mußte er wegen einer Bestechungsaffäre eine Nacht in Untersuchungshaft verbringen. In einem Revisionsverfahren in diesem Jahr war eine Verurteilung des Finanziers im Zusammenhang mit dem Kollaps der Vatikanbank Banco Ambrosiano bestätigt, das Strafmaß aber auf viereinhalb Jahre Haft verringert worden. De Benedetti befindet sich bis zu einem zweiten Überprüfungsverfahren auf freiem Fuß.

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