■ Schöner Leben: Öffentlich verkehrt
Sie war so freundlich, die junge Dame im blau-roten Deutsche-Bundesbahn-Dress, die sich mir spätabends als „Zugchefin“ im IC von Hannover nach Bremen vorstellte. Fast fürsorglich knipste sie das Leselicht über mir an, weil das doch besser für meine Augen sei. Ich war irritiert.
Auch mein Sitznachbar schwieg betreten, als ihm die Zugchefin „Eine gute Fahrt“ mit auf die Reise gab. Begeistert teilte ich Freunden meine neuen Erfahrungen mit, und gemeinsam kamen wir zu dem Schluß, dem öffentlichen Personenverkehr noch eine Chance zu geben.
Heute, genau eine Woche später, bin ich klüger. Daß es die Bahn diesmal nicht schaffte, mir in zwanzig Minuten eine Fahrkarte nebst Bahncard zu verkaufen, deckte einen zarten Grauschleier über das rosarote Bild. Doch einmal in Berlin angekommen, war schon fast alles wieder gut. Aber daß mich dann eine überfüllte und stickige U-Bahn vom Bahnhof Zoo in den Arbeiterbezirk Wedding mitnahm, jedoch nicht wieder zurückbrachte, möchte ich doch noch erwähnen.
Daß sich in Berlin dann und wann Menschen das Leben nehmen und dafür kantige U-Bahn-Gleise auswählen – das kann ich verkraften. Aber bitte nicht, wenn ich meinen Zug noch erwischen muß. Gott sei Dank gibt es in Berlin Taxen. Aber was da für Unfälle passieren können: Der freundliche Fahrer, „wir schaffen det in zehn Minuten, det versprech'ick Ihnen“, wich einem Ball auf der Fahrbahn aus – um ein Haar wären wir mit dem Gegenverkehr zusammengekracht. „Das ist eben Berlin“, entschuldigte ich die abendliche Misere.
Doch am Morgen in Bremen vor der Bushaltestelle 24 an der Domsheide zu stehen und dort auf einem Schild zu lesen: „Lieber Fahrgast, die Linien 24 und... fahren wegen einer Baustelle vom Hauptbahnhof ab“, gab mir den Rest. Ich verbrannte meine Bremer Karte und schwor mir, nie wieder öffentlich nah- oder fern zu verkehren. Katja Ubben
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