piwik no script img

Wenig prickelnder Rüttgers Club

■ Auf einem Forum über die Informationsgesellschaft

Schon der Titel der Konferenz „Macht Information – über die Chancen und Risiken der neuen Mediengesellschaft“ verführte zu zweideutiger Interpretation: Information, die als Machtfaktor in der Gesellschaft immer wichtiger wird, schön und gut. Aber steckt darin nicht auch ein Imperativ, der so merkwürdig den berüchtigten Zeilen eines unbedeutenden Science- fiction-Autors ähnelt, der seiner ebenfalls berüchtigten Organisation – manche nennen sie auch Sekte – den Auftrag gab: „Macht Geld, macht mehr Geld“?

Nein, eine gewisse Nähe zu Scientology wollen wir dem Ausrichter der Konferenz, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter Minister Jürgen Rüttgers (CDU) weiß Gott nicht unterstellen. Aber die diffuse Themenstellung zeigte, daß heute eigentlich niemand genau weiß, was mit der besagten „Informationsgesellschaft“ auf uns zukommt. Ebenso wenig die fünfzehn Experten aus Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft, die Anfang der Woche über die Frage nachsannen, welche Konsequenzen das Internet auf unsere Gesellschaft, unsere Arbeitswelt, unser politisches und kulturelles Leben hat.

Die durchschlagenden Antworten blieb auch dieses Forum schuldig, eher schon fungierte es als Sammelstelle für die unterschiedlichsten Standpunkte. Die Unternehmer etwa bemühten die unternehmerische Vision, und die Gewerkschaftsvertreter pochten auf die Rechte der Arbeitnehmer in den zukünftigen „virtuellen“ Betrieben. Verschiedene Meinungen gab es auch in der Frage, wie weit der Staat kontrollierend in das Internet eingreifen dürfe und ob das überhaupt möglich sei. Das es möglich ist, beweist ein Blick nach China. Einig war man sich gerade mal in der Furcht vor einer Zwei- Klassengesellschaft, in der es Wissende und Unwissende geben wird, was gleichzusetzen wäre mit Mächtigen und Ohnmächtigen. Zwar versprach Bundesforschungsminister Rüttgers eilfertig, daß es diese Entwicklung mit ihm nicht geben werde, blieb aber die Konzepte zur Vermeidung schuldig. Anders Robert Cailliau, Mitentwickler des World-Wide-Web. Er wies darauf hin, daß die Informationsgesellschaft nur in einer „Republik verantwortlicher Bürger“ funktioniere. Um dies zu erreichen, forderte er Erziehungs- und Ausbildungsprogramme, die besonders Kinder auf den richtigen Umgang mit den neuen Medien vorbereiten sollen. Doch was ist das, der „richtige Umgang“?

Wichtig wird wohl sein, daß nicht nur Vortragsreihen wie dieser Rüttgers Club, sondern auch Diskussionen in Gang kommen, an denen auch die beteiligt werden, die die Entwicklung der Informationsgesellschaft maßgeblich vorangetrieben haben: die innovativen Visionäre, die kein Risiko scheuen – die Hacker, die Bastler. Dann wird vielleicht allmählich das entstehen, was zur Zeit noch längst nicht erreicht ist – eine wirklich informierte Gesellschaft. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie brachte das derzeitige Stadium der Unsicherheit mit einem wohl ungewollten Anflug von Weisheit am besten auf den Punkt: „Wenn Sie mich fragen, ob das Internet nützlich oder schädlich sei, ich würde mit einem vorsichtigen Ja antworten.“ Jochen Pfender

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen