: Keine Chance für Totengräber
Mit Hilfe der versammelten Weltklasse will die Tischtennis-Bundesliga in der Publikumsgunst zu Eishockey und Basketball aufschließen ■ Von Freddy Schissler
Berlin (taz) – Die Tischtennis- Bundesliga ist auf dem Weg zu neuen finanziellen Dimensionen. Kenner der Szene behaupten: „Der Schwede Jan-Ove Waldner wird in Bad Honnef so um die 350.000 Mark netto pro Saison verdienen.“ Der ehemalige Weltmeister und Olympiasieger schmettert zwar noch nicht mit in der vor kurzem begonnenen Saison, soll aber bereits einen Vorvertrag für kommendes Jahr in der Tasche haben.
Bleiben wir bei der TTF Bad Honnef. Der Klub ist wohl das typische Beispiel, wie schnell heuer aus einer einstigen grauen Tischtennis-Maus ein Spitzenklub werden kann. Vor allem die neue Regelung mit den EU-Ausländern macht's möglich. Der Verein aus dem Siebengebirge sicherte sich die finanziellen Hilfen einer Unternehmensgruppe sowie mehrerer kleinerer Sponsoren, um sodann seine Finger auf dem EU- Markt auszustrecken. Mit dem erfolgreichen Ergebnis, daß nun Weltklassespieler wie Jean-Michel Saive (Belgien) und Mikael Appelgren (Schweden) an den letztes Jahr wenig beachteten Tischtennisplatten Bad Honnefs stehen. Und weil das Geld nach diesen Verpflichtungen immer noch nicht alle war, setzte auch noch der Chinese Chen Zhibin seinen Namen unter einen Vertrag der Bad Honnefer.
Dem finanziellen Lockruf der deutschen Bundesliga folgten weitere Spitzenspieler. Steffen Fetzner kehrte aus Schweden zurück und schmettert für den TTC Zugbrücke Grenzau, der Schwede Jörgen Persson spielt bei TTF Ochsenhausen, Philippe Saive in Düsseldorf. Inzwischen sind sich die Manager aller Bundesligaklubs einig: Noch nie sei die Bundesliga so exklusiv besetzt gewesen wie diese Saison und in ihrer Stärke wohl einmalig in Europa.
Womit die deutsche Tischtennis-Szene freilich mehr denn je beim Problem Nummer eins angelangt wäre: Je professioneller es in der Bundesliga zugeht, desto größer wird die Diskrepanz zwischen Klub-Managern und Verbandsfunktionären. Einer, der stets eine optimale Vermarktung und damit eine Leistungssteigerung im Sinn hatte, warf längst das Handtuch. Rüdiger Lamm hieß der Mann, der einst mit der SpVgg Steinhagen sowohl in der höchsten Herren- als auch in der höchsten Damenliga vertreten war. Rüdiger Lamm: der Name trog, wie die Verbandsoberen feststellen mußten. Statt lammfromm zeigte sich der Manager kämpferisch und zukunftsorientiert – und wechselte nach einigen Streitereien mit dem Verband die Lager. Inzwischen führte er Arminia Bielefeld in die Fußball-Bundesliga.
Geblieben ist der deutschen Tischtennis-Szene dagegen einer wie Rainer Ihle. Der ist Manager beim Vizemeister TTF Ochsenhausen, und seine ersten Geldstrafen wegen Beleidigung der DTTB- Bosse („die Totengräber des deutschen Tischtennis“) hat er bereits hinter sich. „Leute wie Eberhard Schöler sind einfach Blockierer“, sagt er heute etwas gemäßigter, „die hinken der heutigen Zeit einfach hinterher.“
Die Geschichte mit den EU- Ausländern dagegen hielt Ihle für längst überfällig. Seine Vermutung: „Jetzt muß sich der Nachwuchs wenigstens anstrengen, wenn er in der Bundesliga mitmischen will. Das kann nur gut sein für die Entwicklung unseres Sportes.“ Die soll heuer steil nach oben führen. Mit fünf Spielern aus den „Top 10“ der Welt und zehn aus der Weltrangliste der 30 Besten wird die Liga wohl die Gesamtzahl von 80.000 Zuschauern (vergangenes Jahr 68.520) erreichen.
„Die Medienpräsenz wird steigen“, ist sich nicht nur Ihle sicher, „wenn einige nicht die Entwicklung verschlafen, könnten wir aufschließen zu Sportarten wie Eishockey oder Basketball.“ Denn zumindest für Spannung ist heuer gesorgt. Das Etikett „klarer Titelfavorit“ mußte der deutsche Meister Düsseldorfer Borussia ablegen. Dazu haben sich Teams wie Bad Honnef, TTC Grenzau, TTC Jülich oder TTF Ochsenhausen zu sehr verstärkt.
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