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„Der Senator hat uns regelrecht verarscht“

■ Behinderte fühlen sich vom Bausenator übergangen

Als Richter am Sozialgericht ist Horst Frehe gewöhnt, sein Temperament im Zaum zu halten. Wenn die Rede allerdings auf Bausenator Bernt Schulte (CDU) kommt, ist es um die Fassung des ansonsten eher nüchtern wirkenden Juristen geschehen. „Der hat uns, was den behindertengerechten Nahverkehr angeht, regelrecht verarscht“, macht Frehe seinem Ärger Luft. Seit seiner Jugend sitzt der 45jährige im Rollstuhl. Im Forum Fahrdienst macht er sich für einen behindertengerechten Nahverkehr stark. Schon in den 80er Jahren habe ihm die damalige Bausenatorin Eva-Maria Schulte versprochen, den Nahverkehr nach Vegesack behindertengerecht auszubauen. „Wie oft wir seitdem vertröstet worden sind, kann ich gar nicht mehr zählen“, schimpft Frehe. Bei der City-Bahn seien zum Beispiel die Einstiegshilfen vergessen worden. Und die am 5. Mai mit dem Etikett „behindertengerecht“ vorgestellten Doppelstockwaggons, „waren alles andere als behindertengerecht“, so das Urteil von Frehe und seinen Mitstreitern. Das sagte Frehe damals auch Bausenator Bernt Schulte, der bei der Einweihung dabei war. „Schulte hat uns auf die Hand versprochen, daß wir das nächste Mal, also wenn die neuen Steuerwagen angeschafft werden sollen, auf jeden Fall eingeschaltet werden.“

Inzwischen sind die fünf Steuerwagen, die ab dem 29. September vom Hauptbahnhof in Richtung Vegesack fahren sollen, in Görlitz bestellt und gebaut worden. Eine Brücke, die vom Waggon auf den Bahnsteig ausgefahren werden kann, soll den Behinderten die Reise nach Vegesack weitgehend ohne Hilfe Dritter ermöglichen. Nächsten Mittwoch dürfen die Rollstuhlfahrer die Wagen einmal besichtigen. Doch für Frehe ist das kein Grund zur Freude: „Schulte hat uns versprochen, daß wir einbezogen werden. Jetzt dürfen wir die Wagen nur einmal besichtigen und testen. Wenn wir am 18. September noch irgendwelche Mängel feststellen, können die Wagen nicht mehr umgebaut werden. Die Besichtigung am 18. September ist eine reine Alibi-Veranstaltung. Schulte hat sein Wort gebrochen, und das ist eine Riesensauerei.“

Das will der Pressereferent Schultes, Hartmut Spiesecke, nicht auf seinem Senator sitzenlassen. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Senator tatsächlich versprochen hat, daß die Rollstuhlfahrer die Steuerwagen testen dürfen“, winkt er ab. „Wahrscheinlich hat er das gesagt, was er in solchen Situationen immer sagt, nämlich: ,Wir können in dieser Sache ins Gespräch kommen.'“ Auch sonst versteht er die Aufregung Frehes nicht. Schließlich seien die Steuerwagen getestet worden, versichert Spiesecke. Und zwar in Görlitz, von Görlitzer Rollstuhlfahrern. Daß die Bremer Rollstuhlfahrer sich übergangen fühlen, versteht er auch nicht: „Wir hätten die Waggons ansonsten durch ganz Deutschland kutschieren müssen. Außerdem kann ich keinen Unterschied darin sehen, ob die Waggons nun von Rollstuhlfahrern in Görlitz oder in Bremen getestet werden.“

Daß die Frist für einen eventuellen Umbau der Steuerwagen zu kurz ist, räumt Spiesecke allerdings ein. „Wenn Änderungswünsche seitens der Rollstuhlfahrer geäußert werden, hätten wir in der Tat eine neue Situation. Aber das muß man doch erst einmal abwarten.“ Daß er „die Sache“ jetzt „in der Zeitung lesen muß“ paßt ihm auch nicht. „Hier wird eine ansich gute Sache kleingeredet, bevor sie überhaupt begonnen hat. Und das nur, weil einige Rollstuhlfahrer sich übergangen fühlen.“ Dabei habe er „für diese Gruppe viel Sympathie übrig.“ Kein Trost für Horst Frehe. „Das ist alles eine Frage des Stils. Wir sind mal wieder übergangen worden. Und da gibt es auch nichts schönzureden.“ kes

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