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Der Kanzler auf Werbetour in Lateinamerika

■ Kohl wirbt auf seiner Hatz durch Argentinien, Brasilien und Mexiko für die deutsche Wirtschaft. Die droht, mit ihren Investitionen an Boden zu verlieren

Buenos Aires (taz) – Der Deutschen liebste Dinge lassen sich auch ganz gut im Ausland verkaufen: Autos und Bier gehören zu den größten Erfolgen der deutschen Industrie in Argentinien. Allein Daimler Benz (118 Millionen Dollar) und Volkswagen (263 Millionen) machten knapp die Hälfte der deutschen Investitionen in Argentinien in den vergangenen zwei Jahren aus. Warsteiner steckte 80 Millionen in ihre argentinische Tochtergesellschaft Isenbeck und wurde damit zu einer der größten Bierbrauereien des Landes. In Lateinamerika fließen nur nach Brasilien und Mexiko mehr deutsche Investitionen.

Doch außer solchen Großprojekten tut sich wenig. Das will Helmut Kohl mit seiner Lateinamerikatour ändern. Samstag nacht landete der Kanzler in Buenos Aires, der ersten Station seiner Hatz durch den Subkontinent. Ganze 36 Stunden bleibt er am Rio de la Plata, bevor es weiter nach Brasilien geht. Für das größte lateinamerikanische Land nimmt er sich gerade 18 Stunden Zeit. Dort will er sich auch erneut als Vorkämpfer für den Erhalt des Regenwaldes präsentieren. Rund 312 Millionen Mark zahlt die BRD für das internationale Pilotprogramm zur Rettung der brasilianischen Tropenwälder. Als letzte Station fliegt die Kanzler-Maschine Mexiko an.

Mit der Kohl-Reise wird das Lateinamerikakonzept der Bundesregierung vom vergangenen Jahr fortgesetzt, um verlorenen Boden gutzumachen. Zwar konnte sich die Bundesrepublik im Handel eine starke Position erkämpfen – Waren im Wert von zwei Milliarden Dollar tauschten Argentinien und Deutschland 1995 aus. Die BRD ist damit der wichtigste europäische Partner Argentiniens und der drittgrößte Zulieferer nach den USA und Brasilien. Dagegen machen argentinische Exporte nach Deutschland gerade mal die Hälfte der deutschen Exporte an den Rio de la Plata aus. Doch während die Konkurrenten aus den USA und Asien sich die Privatisierungsschnäppchen der lateinamerikanischen Staatsbetriebe unter den Nagel rissen, freuten sich deutsche Unternehmen lieber über den neuen Hinterhof in Osteuropa.

Unternehmen aus anderen Ländern, die wußten, wo sie zuschlagen mußten, verdienen sich heute eine goldene Nase. Die französische Télécom und die spanische Telefónica diktieren in Argentinien die Telefonpreise. Seit die Telefongesellschaft in privaten Händen ist, gehört Argentinien zu den Ländern mit den höchsten Telefongebühren der Welt. Ein Minute nach Deutschland kostet 5,30 Dollar. Damit solche Sahnetörtchen den Deutschen nicht noch einmal durch die Lappen gehen, reiste Postminister Wolfgang Bötsch im August nach Brasilien, um deutsche Interessen bei der bevorstehenden Privatisierung des brasilianischen Telekommunikationsmarktes anzumelden.

Weil das allein nicht reicht, kommt der Kanzler jetzt persönlich. Im Gepäck hat er ein gutes Dutzend Manager von Daimler Benz, Volkswagen, Siemens, Degussa und mehreren Banken und Bauunternehmen. Schwerer als die Multis tun sich mittelständische Unternehmen. Meist fehlt es an geeigneten Partnern vor Ort. Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) sieht jedoch für kleinere Unternehmen „phantastische Chancen“, wenn sich diese als Zulieferer ins Schlepptau der Großkonzerne begeben.

Bei solchen Verdrängungswettkämpfen wird es allerdings für einheimische Unternehmen oft eng. Mit den Multis Schritt zu halten, ist nicht möglich. So zerstören schon jetzt französische Supermarktketten kleine Lebensmittelläden in Buenos Aires. Ingo Malcher

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