: Bonn will nicht an Bauern sparen lassen
EU-Kommission fürchtet Kostenexplosion wegen BSE und sucht nach Sparmöglichkeiten. Kürzungen würden (ost-)deutsche Bauern eine Milliarde Mark im Jahr kosten ■ Aus Brüssel Alois Berger
Die Europäische Kommission in Brüssel stellt sich auf einen teuren Herbst ein. Um die enormen Kosten aufzufangen, die durch die BSE-Krise entstehen, hat EU- Agrarkommissar Franz Fischler eine Reihe von Sparvorschlägen gemacht, die vor allem zu Lasten der Großbetriebe gehen sollen. Doch der deutsche Landwirtschaftsminister sperrt sich gegen das Sparpaket. Mit den Plänen, sagte Staatssekretär Franz Josef Feiter gestern in Brüssel, würden die EU-Zuschüsse für die deutschen Bauern um rund eine Milliarde Mark gekürzt. Ähnlich sahen das auch die 500 deutschen Bauern, die gestern vor dem Ministerratsgebäude gegen die Sparpläne demonstrierten.
Bevor der Winter kommt, versuchen die Bauern erfahrungsgemäß, ihre Tiere an die Schlachthöfe zu verkaufen. Doch schon jetzt sind die Rindfleischpreise wegen der britischen Rinderseuche BSE rund 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau. In manchen Gegenden, vor allem in Großbritannien und Irland, nähert sich der Preis sogar der Notfallschwelle, bei der die EU-Kommission solange aufkaufen müßte, bis der Preis wieder über diese Schwelle ansteigt – und das kann lange dauern.
In diesem Jahr hat die EU- Kommission bereits 320.000 Tonnen Rindfleisch erworben und auf Eis gelegt. Nach den bisherigen Beschlüssen der EU-Regierungen kann sie weitere 80.000 Tonnen kaufen. Doch das wird selbst dann nicht reichen, wenn die derzeitigen Preise stabil bleiben. Die EU- Agrarminister waren sich gestern einig, daß mindestens noch einmal 380.000 Tonnen vom Markt genommen werden müßten. Jetzt streiten sie darum, wo die dafür nötigen rund drei Milliarden Mark herkommen sollen.
EU-Agrarkommissiar Fischler möchte die Rinderprämien nur noch an Betriebe mit weniger als 90 Tieren zahlen. Das sei auch ein Anreiz, von der intensiven auf die extensive Tierhaltung umzusteigen, so Fischler. Außerdem will er die Einkommenszuschüsse für Raps und Getreidebauern kürzen. Aufgrund einer günstigen Entwicklung auf dem Weltmarkt liegt der Getreidepreis heute höher als prognostiziert. Die Bauern würden deshalb von der EU einen Ausgleich für Einkommenseinbußen bekommen, so Fischler, die sie gar nicht haben. Allein die Kürzung dieser Ausgleichszahlung um sieben Prozent brächten 2,55 Milliarden Mark in die EU-Kasse.
Gegen beide Vorschläge hat Agrarstaatssekretär Feiter in Brüssel vehement protestiert. Die Ausgleichszahlungen seien den Bauern fest zugesagt worden, da dürfe nicht gedreht werden. Die vorgeschlagene Kürzung würde die deutschen Bauern 650 Millionen Mark kosten. Noch schärfer ist der deutsche Widerstand gegen die Extensivierung der Rinderzucht. Die intensive Tierhaltung in Ställen sei eine traditionelle deutsche Zuchtform. Die Begrenzung auf 90 Tiere treffe zudem vor allem die ostdeutschen LPGs. Feiter schlug vor, lieber die Kälbereinfuhren aus Polen und Ungarn zu drosseln.
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