: Der Vier-Komponenten-Kleber
■ Unerwartet erfolgreiches House-Bastelwerk mit Faithless
Daß ein Stück ein Hit werden kann, das ein langes, schon in sich gesplittetes, karg-atmosphärisches Intro, einen schamanischen Rap-Part über die Unmöglichkeit zu Schlafen und ein euphorisches Techno-Gehüpfe relativ unvermittelt aneinanderklebt, verwundert anscheinend nur den Fachmann. Der Laie legt dafür seine Patte auf den Tresen und freut sich tot.
„Insomnia“, hier gemeint, entspricht damit sowohl der ungewöhnlichen Zusammensetzung der Erzeugergemeinschaft Faithless wie dem Gesamtprogramm des Unternehmens, wie es sich auf Reverence darstellt. Vier Komponenten sorgen für die sehr verläßliche Haftung der Techno-Basis mit diversen Manieren wie Reggae, HipHop, transformiertem Rock, Funk und Schmalz-Pop: Der Fädenzieher Rollo, der bei den anstehenden Auftritten seine Produzenten-Tätigkeit durch einen Platz im Publikum demonstriert, wirkt seit längerem als erfolgreicher Mischpultvirtuose für Musikverbrecher (U2/Simply Red), House-Artisten und Dancefloor-Edelleute (M-People/Donna Summer).
Die okkulte Stimme von Maxi Jazz, der seit vielen Jahren in der Londoner Club-Szene mit Achtungserfolgen operiert, spricht in sehr freiem Rhythmus von der Realität, die unter seiner Haut träumt, bis er schreit. Sister Bliss, in Verbindung mit Rollo als „(Can't Get A Job, Can't Get A Man) Life's A Bitch“-Sängerin aus den gängigen Musikkanälen bekannt, und der weltreisende Kiffer mit Schlaggitarre Jamie Catto vervollständigen das Quartett, das sein Opus keiner Klassifizierung als der des Erfolges zuschreiben möchte.
Daß trotz so unterschiedlicher Versatzstücke wie UB 40-Reggae, Schunkel-Pop-Linien, Trance und Funkgezitter auf einer Gitarrenseite (um nur einige Beispiele zu nennen) eine Platte zusammengekommen ist, die man ohne größere Irritationen von vorne bis hinten mit Laune erträgt, spricht für das intuitive Geschick des Produzenten mit dem fürchterlichen Namen.
Auch wenn der nachgelegte Hit „Salva Mea“ nach der selben Bastelanleitung erstellt wurde wie „Insomnia“, bleibt das Geschick des Quartetts, mit dem es auseinanderstrebende Einzelteile zu einer Collage verfertigt, beeindruckend. Und es paßt in dieses Bild der Freude, daß die Band live angeblich einen Soul-Set mit Big-Band-Besetzung hinlegen will – etwa kein „Insomnia“? Till Briegleb
Mo, 23. September, 21.30 Uhr, Mojo-Club
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