What's hot, what's not: Wie küßt man einen Wirbelsturm?
■ Hat ein Raumschiff mehr Sex als George Clooney? Außerdem: Prince hat alle Videos mit Kevin Costner bestellt! Geschmack in und um Hollywood
Was, wenn es keine wirklichen Filmstars mehr gäbe? Überdenken Sie bitte die ersten Anzeichen für eine sich anbahnende Katastrophe: Die beiden größten Kinohits dieses Sommers – „Independence Day“ und „Twister“ – verdanken ihren Erfolg Raumschiffen beziehungsweise Wirbelstürmen, deren Auftritte von Newcomern oder unbekannten Schauspielern bestenfalls flankiert wurden. Und wenn Sie sich unser Foto ansehen, wissen Sie, warum einen die männlichen Sex- Appeal-Nachwuchskader nicht aus dem Sessel reißen. Dieser Kinosommer bot nicht eine Rolle für die Schauspielerinnen aus der ersten Reihe, und der nächste droht noch sparsamer auszufallen – mit artigen Fortsetzungen wie „Speed 2“, „Batman und Robin“, Jurassic Parks „The Lost World“ und „Alien 4“. Was das bedeutet? Bereits im August stand in der taz, was Amerika erst Mitte September begreift: „In dem Maße, wie die Blockbuster dumm und dümmer ausfallen, machen sich die Independents besser und noch besser.“
Weiter zum Thema. Der vormals unter dem Namen Prince bekannte Künstler bestellte kürzlich bei einer Videothek in L.A. alle Filme, in denen Kevin Costner mitwirkt, der mit der Golfromanze „Tin Cup“ gerade sein erstes Comeback erlebt. Prince kaufte alle neun Filme Costners. Barbra Streisand arbeitet ähnlich an ihrer positiven Selbstaffirmation. Sie sucht das Publikum für ihre Testvorführungen höchstselbst aus – ausnahmslos Streisand-Fans – und mußte keine einzige Szene ihres neuesten Films („The Mirror Has Two Faces“) nachbessern. Schließlich sind Schauspieler ja nicht doof! Der sehnlichste Wunsch des Kickbox- Stars Jean-Claude Van Damme wäre zum Beispiel erfüllt, wenn wenigstens einer seiner beiden Söhne Opernsänger würde. Jean- Claude: „Das Größte!“ Wissen das gewisse Schmierbolde eigentlich, die Van Dammes Filme mit der Bemerkung „Man wird Sie für hirntot erklären!“ beim Publikum verunglimpfen? Gemein!
Stichwort „Beatles Anthology“: Die zehnstündige Videokollektion kostet die Kleinigkeit von 160 Dollar und beinhaltet wenig bekannte Werke wie „I want to hold your wallet“.
Die Welt fiebert der Premiere von „Evita“ entgegen. Allein der Trailer zum neuen Film mit Madonna weckt mit sechzehn Kostümwechseln in nur neunzig Sekunden höchste Erwartungen. Da bleibt natürlich nicht mehr so viel Platz für die Entwicklung von Charakteren, aber „Evita“ ist ja mehr ein Film im Sinne Wittgensteins: „Wer nicht reden kann, soll zeigen.“ Oder so ähnlich.
Trotz „Mission: Impossible“, „Twister“ und „Independence Day“, dem bis dato siebterfolgreichsten Film der amerikanischen Filmgeschichte, ist man im sonnigen Kalifornien keineswegs zufrieden mit der Bilanz des Kinosommers. Ein Film gilt als erfolgreich, wenn er das Drei- bis Vierfache seiner Kosten einspielt. Aber: der Zuschauer – das undankbare Wesen. „Demi Moore hat alles ausgezogen, und das Publikum gähnte nur. Eddie Murphy verschwand als ,Der fette Professor‘ unter 50 Kilogramm Latex, und das Publikum lachte sich kaputt“, resümiert Entertainment Weekly. Gibt es nicht zu denken, daß Gwyneth Paltrow („Emma“) und Matthew McConaughty („Die Jury“) wie Filmstars behandelt werden, während auf Jim Carrey und Robert De Niro eingedroschen wird, als wären sie EHEMALIGE Filmstars? Als Grund für die flauen Einspielergebnisse schieben Hollywoods Studiobosse die Olympiade vor, die einfach zuviel Aufmerksamkeit abgezogen habe. Auch ich wohne in einer Gegend, wo man gern fernsieht und Hollywood vorn mit Doppel-O sowie einem L schreibt, gesteht Anke Westphal
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