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Glamourös

■ Kleine Kostbarkeiten über „Magier der Mode“ bei Schirmer/Mosel

Wenn es stimmt, daß jeder wirklich große Designer ein neues „einfaches“ Kleidungsstück erfunden hat, dann ist Jean-Paul Gaultier zweifellos Mitglied im Klub der Großen. Gaultier schuf den Rock für den Mann und leistet damit für diesen zweifellos, was Yves Saint- Laurent für die Frau leistete, als er seinen Abendsmoking für Frauen erfand. Daß sich keine dieser Moden durchgesetzt hat – spielt das wirklich eine Rolle? Beide Kleidungsstücke haben die Wahrnehmung „weiblich“ oder „männlich“ verändert.

Doch während die Unisexmode der sechziger Jahre dazu tendierte, die Unterschiede aufzuheben, ist Gaultiers Grenzüberschreitung eine Täuschung: Wie Farid Chenoune in seinem Vorwort zu „Magier der Mode. Jean-Paul Gaultier“ schreibt, ist sein Männerrock kein wirklicher Rock, sondern „eine Hose, deren eines Bein sich wie ein Lendenschurz über das andere legt“.

Gaultier gilt immer noch als das Enfant terrible der Modeszene, dabei ist er inzwischen Mitte Vierzig. Doch in einer Zeit, in der die Mode dominiert wird vom Pragmatismus des „Tragbaren“ und geistlosen Revivals, ist es eine Wohltat, sich diesen Band anzuschauen: Bunt, forsch, glamourös und voller Witz ist diese Mode. Aber fast noch bemerkenswerter ist das Vorwort.

Farid Chenoune, der vor drei Jahren ein wunderbares Buch über die Geschichte der Herrenmode seit der Französischen Revolution veröffentlicht hat, „Des Modes et des hommes“, stellt Jean-Paul Gaultier vor, schildert seine Entwicklung und gibt auf knapp zwölf Seiten mehr Informationen über Gaultiers „diebisches Vergnügen, die Grenzen zwischen dem Vornehmen und Gewöhnlichen, dem Erlesenen und Vulgären zu untergraben“, als die meisten Modebücher auf zweihundert Seiten.

Bildbände über Mode sind meist nicht lesbar, weil die Begleittexte kaum mehr als PR zu bieten haben. Der Schirmer/Mosel Verlag hat jetzt die ersten Bücher einer Reihe herausgebracht, die „Magier der Mode“ heißt. Inzwischen erschienen sind: Chanel, Alaia, Valentino, Christian Lacroix und Jean-Paul Gaultier. Kleine Bildbände, die mit einem ausführlichen Vorwort versehen sind. Die Reihe ist liebevoll gestaltet, aber nicht jeder Band ist so geglückt wie Chenounes. Der Band über Christian Lacroix, zu dem François Baudot, leitender Redakteur der französischen Elle, das Vorwort geschrieben hat, verfällt leider in den schaurig lobhudelnden Tonfall, der Modemagazine so unlesbar macht. Anja Seeliger

Farid Chenoune: „Magier der Mode. Jean-Paul Gaultier“. Schirmer/Mosel 1996, 80 Seiten, 34 DM

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