piwik no script img

Schicke Gegenromantik

■ betr.: „Das Wohlbehagen an der Natur“, taz vom 14./15. 9. 96

Ein schiefer Ansatz mit zynisch maßlosem Ergebnis.

Allein die Greenpeace-Kampagnen gegen den atomaren Wahnsinn wirkten – weltpolitisch umfassend – für menschliche Rechte und Zukunftsperspektiven. In aller Regel können Nicht-Regierungsorganisationen nur als Einpunkt-Bewegungen die Aussagefähigkeit und den Einfluß erlangen, die zu erfolgversprechender politischer Einmischung befähigen. Sie stehen damit im wohltuenden Gegensatz zu den – auf allen Politikfeldern oberflächlich ackernden politischen Parteien.

Frau Fetscher rührt genau jenen akademischen Brei an, an dem sich kleine wie große NGOs zugrunde fressen können. Rudolf Ernst Seidel, Öhringen

Es gibt wohl kaum etwas Befreienderes, als eigene Dogmen als solche entlarvt zu haben, um sich in Folge mit vermeintlich ernüchterndem Vokabular von ihnen zu distanzieren. Viel mehr als diese im übrigen zur Zeit schicke Gegenromantik war für mich an der Greenpeace-Kritik nicht herauszulesen: „Natur“ als Begriff ist out, daher zieht Fetscher für Greenpeace die Bezeichnung einer „Consultingagentur für Nutz- und Schutzkonzepte von Ressourcen vor – und glaubt sich und uns damit der Wahrheit ein Stück näher gebracht zu haben. Doch in Wahrheit wird nichts Neues geboten, ist die Frage nach der Klärung der Begriffe „Mensch“ (als Subjekt) und „Natur“ sowie deren Beziehung zueinander so alt wie die Philosophie.

Für eine Kritik an Greenpeace taugt die Erkenntnis der Autorin um so weniger, zumal sie uns den „besseren“ Sinn ihrer Begriffsalternative für „Naturschutzorganisation“ sowie die wünschbare inhaltliche Zielrichtung einer solchen Organisation schuldig bleibt. Deshalb blendet sie wohl auch die Behandlung des Themas auf funktionaler Ebene vollkommen aus. Mystifizierte Utopien waren schon des öfteren notwendige Motoren, um sinnvolle Anliegen (aber natürlich auch verbrecherische) von der sozialen Bewegung auf die Etage der Institutionalisierung zu hieven. Zweifellos war der Naturbegriff zu Beginn der Ökobewegung damit unerträglich überromantisiert, was heute nicht mehr so extrem ist.

Zudem hat der Begriff im heutigen Koordinatensystem politisch relevanter Werte vor allem als Antipode zu „Profit“ neben anderen (die alle auch nicht weniger „quasi- religiös“ sind) seine volle, funktionale Berechtigung, was damit auch für die Arbeit von Greenpeace gilt. Es ist genauso ein Quatsch, Greenpeace als quasi-religiös zu bezeichnen, wie ich dies (etwa nach Genuß eines abendlichen Kino-Werbeblocks) nach Fetscherischer Logik mit Langnese, Volkswagen oder amnesty international tun könnte. [...] Peter Wilhelm, Berlin

[...] Um mächtig zu sein, braucht man Geld. Greenpeace hat Geld, aber trotzdem reicht es nur zum Tropfen auf dem heißen Stein. Daher kann von Macht keine Rede sein!

Und was heißt Technizismus? Nur weil sie Ökokühlschränke und das Dreiliterauto vorstellen? Technologisch ist vieles zum Wohle der Menschheit möglich, im menschlichen wie im ökologischen Bereich, nur leider wird vieles durch eine starke Wissenschafts- und Wirtschaftslobby blockiert – gerade in Deutschland und Europa. Und das sollte eher zu denken geben! Karl-Heinz Fahrensohn

[...] Fetschers Vorwurf der „Intellektuellenfeindlichkeit“, die von einer „latent subkulturell geprägten und eklektischen Naturreligion“ bei Greenpeace ausgehe, ist nicht unbegründet. Doch sollten linke Intellektuelle sich hüten, ihrerseits „feindlich“ gegen alle nicht in die Rationalität des kapitalistischen „Warensinns“ passende Erscheinungen des Aufbegehrens zu reagieren. Einem Wal auf der Flöte vorzuspielen, ist nicht unbedingt „lächerlicher“, als nach der Pfeife des Kapitals tanzend immer neue Detailkonzepte eines ökologischen Profits auszutüfteln. Beides hat allerdings auch seine (potentiell) progressiven Seiten.

Sicher: Sollen die zerstörerischen Seiten der kapitalistischen Rationalität tatsächlich überwunden (und seine produktiven Seiten wie auch immer positiv „aufgehoben“) werden, ist eine „Soziologie der Befreiung“ vordringlicher, als eine grüne Theologie. Greenpeace täte gut daran, neben der von Bodo Thiele jetzt angekündigten Einbeziehung der Arbeitslosenproblematik in den Industriestaaten auch stärker Fragen der Arbeitslosigkeit, der Arbeitsbedingungen, der Landreform, der kollektiven Landrechte indigener Gemeinden und nicht zuletzt der Menschenrechte in den rohstoffexportierenden Entwicklungsländern zu berücksichtigen. [...] Hans-Hermann Hirschelmann,

Berlin

[...] Meines Wissens hat Greenpeace nie für sich in Anspruch genommen, die sozialen Probleme der Menschheit lösen zu wollen, sondern kümmert sich um Ökologie und Naturschutz. Das hat zwar viel mit den allgemeinen Menschheitsproblemen zu tun, auch wenn die Autorin das nicht zu erkennen scheint, aber selbst wenn es nicht so wäre: Was erbost die anthropozentrische Frau Fetscher so sehr daran, daß es Leute gibt, die ihre Kräfte der kranken Natur widmen und viele andere ihnen dabei mit Geld helfen? Etwa, daß nicht jedes Stück gerettete Natur sofort wieder einer menschlichen Nutzung zugeführt wird? Denn nur aus dieser Perspektive sieht sie erklärtermaßen einen Sinn im Naturschutz.

In einem Punkt hat Frau Fetscher recht: Würden die sozialen Probleme auf der Welt gelöst, dann wäre es sicher auch um die Natur beser bestellt. Aber wenn Naturschützer darauf warten sollen oder sich gefälligst nur darauf konzentrieren sollen, wird bald kein Baum und kein Tier mehr übrigbleiben, um die sich dann noch jemand kümmern könnte. [...] Klaus Braunert, Kropp

[...] Muß man denn wirklich, nachdem schon längst klar ist, daß ein großer Teil des Hungers, der Kriege und der Krankheiten auf der Welt letztendlich in der Zerstörung der Umwelt begründet sind, bei jeder Aktion gegen weitere Naturzerstörung erneut begründen, warum sie auch für die Menschen wichtig ist? Warum darf sich denn eine – trotz allem relativ kleine – Organisation nicht auf ein konkretes Problemfeld beschränken, sondern muß gegen alles Übel auf einmal kämpfen? Und vor allem: Warum muß ein solcher Insider- Artikel über drei Spalten ausgebreitet werden, bei dem der Leser von der ersten bis zur letzten Zeile das Gefühl nicht loskriegt, daß hier irgendwelche persönlichen Streitereien mit politischen Farbspielen übersprüht werden? Albrecht Benzing,

Witzenhausen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen